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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Verfassung beendet, aber der Zorn verlieh mir Kraft. Ich wich seinem ersten Schlag aus und traf ihn mit Wucht unter dem Herzen. Als er sich zusammenkrümmte und vor Schmerz stöhnte, schlug ich wieder zu, diesmal aufs Kinn. Er riß die rechte Faust hoch und streifte mein Kinn, aber inzwischen hieb ich immer und immer wieder zu. Er stürzte zu Boden.
    Diese Anfälle hatte es bei mir schon früher gegeben, aber schon seit vielen Jahren nicht mehr. Als ich wieder zu mir kam, sprang ich in die Sprung-Rüstung, mit nur ganz verschwommener Erinnerung an das, was ich mit Greaves gemacht hatte. Ich konnte mich entsinnen, daß ich die Kraftfeldbarriere aufgehoben hatte.
    Ich sprang vorwärts auf das verhaßte Land zu. Ich konnte die Kreiselkompasse heulen hören, meine Stimme vor mir heulte wie ein Spinnaker.
    »Du hast meine Tochter umgebracht! Du hast meine Tochter umgebracht! Du kommst nicht herein! Du sollst nicht einmal hereinblicken!«
    Ich wußte nicht, was ich tat.
    Tiere stoben auseinander. Ich stürzte einen Karren um. Ich hatte den ersten Ort fast erreicht.
    Es fühlte sich an, als liefe ich mit hundert Meilen in der Stunde. Als der Schuß fiel, blieb ich trotzdem sofort stehen. Wie schön die Berge waren, wenn man die Augen nie mehr öffnete. Tauben kreisten weiß über Flitterdächern. Unbewegliche Menschen. Eines Tages würden sie unser sein, und wir würden die ganze Welt beherrschen. Die ganze Welt erzitterte unter dem Lärm meiner fallenden Rüstung, und Staub wirbelte wie toll gewordene Galaxien.
    Lieber Schmerz als unsere ewig mißliche, sanfte Lage…
    Ich blickte auf einen blassen Jungen auf einem Karren, er stolperte vom Karren, der Karren rutschte unter ihm weg. Überall schrien und flatterten Leute wie Lumpen. Mein Blick war nur auf ihn gerichtet. Seine Augen nur auf mich. Er hatte einen rauchenden Revolver in der Hand.
    Staunend fragte ich mich, woher ich wußte, daß er Amerikaner war. Ein Amerikaner, der Ted Greaves’ Gesicht an sich gerissen und es von innen gespannt hatte, bis alle Falten daraus verschwunden waren und es obszön jung aussah. Mein Henker trug eine Maske.
    Über meinem Kopf gurgelte ein Stabilisator, als ersticke er an Blut. Ich konnte nur zu dieser Maske hinaufstarren. Zu ihr mußte etwas gesagt werden, als sie näherkam.
    »Wie in einem Western…« Ein Versuch, zu lachen?
    Der Tod kam von den Schwarzen Bergen herab, bis nur seine gestohlenen Augen blieben, wie Wunden im Universum.
    Sie verschwanden.
     
     
    Als die Drogen mich aus der Hypno-Trance zurückholten, war ich immer noch an KUFL angeschlossen, zusammen mit den elf anderen Mitgliedern meiner Schicht, den anderen Sklaven des Klektiven Umbuste.
    Zu den Ärzten, die sich über mich beugten, sagte ich: »Ich bin wieder gestorben.«
    Sie nickten. Sie hatten die Monitorschirme beobachtet.
    »Nur ruhig«, sagte einer von ihnen. Als meine Augen ihn erfaßten, sah ich, daß es Wace war.
    Ich war Anweisungen gewöhnt. Ich strengte mich an, ruhig zu bleiben. Ich war immer noch an der Front, wo Individualität mit dem alten namenlosen Stammesbewußtsein kämpft.
    »Ich bin wieder gestorben«, stöhnte ich.
    »Beruhigen Sie sich, Jerry«, sagte Wace. »Das war nur ein Hypno-Traum, wie Sie ihn immer haben.«
    »Aber ich bin wieder gestorben. Warum muß ich immer sterben?«
    Tommy Wace. Sein Vorname war Tommy. Manche Daten verschlüpften sich.
    Distanziert versuchte er Trost und ausdrückliches Mitgefühl auf seinem ausgetrockneten Gesicht hervorzurufen.
    »Träume sind Mythologien, zum Teil individuell, zum Teil universell. Sowohl entprogrammierende wie Prognose-Träume sind natürliche Funktionen des sich selbst regulierenden psychischen Systems. Es ist nichts Unnatürliches daran, vom Sterben zu träumen.«
    »Aber ich bin wieder gestorben… und ich war in zwei Personen aufgeteilt…«
    »Die perfekte Abwehr in einer zerteilten Welt. Eine Form der Anpassung.«
    Man konnte diesen Leuten nie die persönlichen Todesqualen nahebringen, obwohl sie alles auf den Monitoren verfolgt hatten. Müde fuhr ich mit der Hand über das Gesicht. Mein Kinn fühlte sich an wie ein Kaktus.
    »So viel Selbsthaß, Tommy… Woher kommt das alles?«
    »Johnnie. Wenigstens wirst du es los. Hier ist etwas zu trinken.«
    Ich setzte mich auf.
    »KUFL muß aufhören, Johnnie«, sagte ich. Ich wußte kaum, was ich sagte. Ich war wieder in der realen Welt, im rauhen Mondlabor unter Plato – und plötzlich sah ich, daß ich Wahr von Falsch unterscheiden

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