Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
Vom Netzwerk:
konnte.
    Die ganzen Jahre war ich im Irrtum gewesen!
    Ich hatte meinen Selbsthaß objektiviert. Der Traum zeigte mir, daß ich fürchtete, wieder ganz zu werden, für den Fall, daß mich das zerstören würde.
    Aufstöhnend schob ich das Getränk beiseite. Ich sah Visionen. Die Weiße Welt hatte die Religion abgeschüttelt. Damit schüttelt man auch andere Hoffnungs-Strukturen ab: das Familienleben zerfällt. Man wird zu den größeren Strukturen der Wissenschaft auf den Weg gebracht. Wir hatten einen häßlichen Start gehabt, kamen aber voran. Eine Umkehr gab es nicht. Der Rest der Welt mußte folgen. Nein – mußte geführt werden. Nicht abgewiesen, sondern gezwungen. Geführt. Offenbarung!
    Zu unserer mißlich-sanften Lage gehört, daß wir nie ganz erfassen können, worin sie besteht.
    »Johnnie, ich brauche nicht immer zu sterben«, sagte ich. »Das ist mein Fehler, unser Fehler!« Ich entdeckte, daß ich weinte und nicht aufhören konnte. Etwas löste sich auf. »Schwarz-Weiß sind eins, nicht zwei! Wir kämpfen gegen uns selbst. Ich habe gegen mich selbst gekämpft. Schließen Sie mich wieder an!«
    »Schichtende«, sagte Wace und brachte mir das Getränk erneut. »Sie haben mehr getan als Ihren Anteil. Wir bringen Sie zur Untersuchung ins Psycholabor, dann haben Sie Anspruch auf Urlaub auf der Erde.«
    »Aber sehen Sie – « Ich gab es auf und nahm sein scheußliches Getränk.
    Natalie, Ri… auch ich habe meine schlimmen Träume, kleiner Liebling…
    Mein Bett ist feucht, meine Matratze blutdurchtränkt.
    John Wace veranlaßte einen der Pfleger, mir aufzuhelfen. Als ich auf den Beinen stand, konnte ich das Psycholabor mit eigener Kraft erreichen.
    »Geht sehr gut, Jerry!« rief Wace. »Wenn Sie wieder auf dem Mond sind, lasse ich den Jupiter für Sie orten!«
    Im Psycholabor war ich so angespannt, daß ich sie nicht reden lassen konnte.
    »Sie wissen, wie es ist, ununterscheidbar vom Hypno- in den Traumzustand zu gleiten – so, als sinke man durch Wolkenschichten. Ich begann damit, daß ich die letzte Freiperiode mit Natalie und Ri noch einmal durchlebte. Es kam alles so, wie es gewesen war, ohne Verzerrung, aus den Reservoiren des Gedächtnisses! Die Verzerrung begann erst, als ich mich erinnerte, in Sizilien gelandet zu sein. Was in Wirklichkeit geschah, war, daß Ted Greaves und ich seinen Sohn zusammen mit den anderen weißen Anarchisten über die Grenze zurückließen. Ich fand den Revolver, den er hereinschmuggeln wollte – er hatte ihn in den Stiefelschaft gesteckt.
    Dieser Revolver war das Symbol, das meinen Alptraum auslöste. Unser Leben rotiert durch verschiedene Aspekte, wie der Mond durch seine Phasen. Ich identifizierte mich völlig mit Pete. Und in seinem Alter war ich auch ein Revolutionär, auch ich wollte die Welt verändern, auch ich hätte gern mein jetziges Ich getötet!«
    »In Pete Greaves’ Alter haben Sie für Westciv gekämpft, nicht gegen sie, Wharton«, erinnerte mich einer der Psychiater.
    »Ja«, sagte ich. »Ich war in Asien und konnte mit einer Waffe umgehen. Ich erledigte eine ganze Bande von Drittweltlern. Das war ungefähr zu der Zeit, als die Russen sich auf unsere Seite schlugen.« Ich wollte nicht weitersprechen. Ich sah alles nur zu deutlich. Sie brauchten keine wahre Beichte.
    »Die Schuld, die Sie in Asien gespürt haben, war etwas ganz Natürliches«, sagte der Psychiater. »Sie zu unterdrücken, war ebenso natürlich – unterdrücktes Schuldbewußtsein verursacht die meisten geistigen und körperlichen Krankheiten im Land. Seither ist es schal geworden und hat sich in Haß verwandelt.«
    »Ich werde versuchen, in Zukunft ein braver Junge zu sein«, sagte ich lächelnd und mit gespielter Demut. In diesem Augenblick war mir die Bedeutung meiner Worte nicht klar, wie dem Psychiater.
    »Sie haben bestanden, Wharton«, sagte er. »Ihnen steht sofort ein Urlaub auf der Erde zu.«
     
     
    VII. Klektive. Der Globus trug uns mit seiner endlosen Drehung in den Schatten. Im Innenhof stand die Schattenlinie hoch an unserer Mauer. Natalie hatte eine Moskito-Spirale angezündet; der Duft drang herein zu uns an den Tisch, wo unser Bier stand. Wir kauften die Spiralen im Ort; sie wurden aus der Dritten Welt hereingeschmuggelt; auf dem Paket stand ›Made in Kairo‹.
    Ri beschäftigte sich im Garten mit zwei Tontöpfen. Sie spielte ganz still, weil sie wußte, daß sie eigentlich schon ins Bett gehörte. Ted Greaves und Pete saßen bei uns, tranken Bier und rauchten. Pete

Weitere Kostenlose Bücher