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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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obwohl er davon überzeugt war, daß das noch nie ein Mensch geschafft hatte. Nun, vielleicht Jesus; aber wenn die Königin Victoria-Hypothese zutraf, dann hatte es Jesus nie gegeben. Alles war ungewiß. Nur eines war klar, die unausweichliche Kette von Ereignissen. Wenn die Hypothese zutraf, hätte man sie früher in diesem Jahrhundert nie erraten können, als die Normalitätsnormen niedriger gelegen hatten. Die Übervölkerung hatte zur allgemeinen Neurose geführt; nur unter solchen Bedingungen konnten Menschen vernünftigerweise an einer so unhaltbaren Theorie arbeiten.
    Die Cheyne-Stokes-Atmung seiner Frau wurde hörbar, jetzt mühsam und laut, dann ganz ersterbend. Arme, liebe Frau, dachte er; sie war nie ganz gesund gewesen; selbst jetzt war sie nicht ganz krank. Etwa auf dieselbe Art hatte er sie nie von ganzem Herzen geliebt, aber selbst jetzt hatte er nicht ganz aufgehört, sie zu lieben.
    So müde er auch war, ihre erschreckenden Atmungsvariationen ließen ihm keine Ruhe. Er stand auf, wickelte sich in eine Decke und ging ins Nebenzimmer. Die Ratten waren noch immer an der Arbeit. Er sah auf sie hinunter.
    SLALEUPEAKE
    SLAKBUDDVS
    Manchmal versuchte er zu ergründen, wie ihre kranken kleinen Gehirne arbeiteten. Die Shakespeare-Buchstabier-Gesellschaft gab eine Monatszeitschrift heraus, voller Spalten mit falschen Wiedergaben des Dichternamens, eingesandt von Lesern; Utrect studierte sie und suchte nach Geheimbotschaften, die an ihn gerichtet sein mochten. Manchmal schienen die Nagetiere in ihrem Gerät entspannt zu arbeiten, so, als wüßten sie, daß das erwünschte Wort nach einer bestimmten Zeit erscheinen mußte. Bei anderen Gelegenheiten brachten sie den wildesten Unsinn hervor, als gäben sie sich keine Mühe, oder versuchten, sich von der Lustsucht zu heilen.
    DOAKERUGAPE
    FISMERAMNIS
    Ja, genau so, ihr kleinen, elenden Wesen, dachte er.
    Der Erfolg der Shakespeare-Buchstabier-Gesellschaft hatte Imitationen entstehen lassen, die National-Amerika-Buchstabier-, die Ratten-Lexikon-Rennen-, die Anal-Orientierte-Buchstabier- und sogar die Anti-Establishment-Buchstabier-Gesellschaft. Ratten waren überall am Werk und versuchten wirkungslos, mit den Menschen in Verbindung zu treten. Die Luxusausgaben der Geräte waren mit Schimpansen, statt mit Ratten, ausgestattet.
    SHAPESCUNRI
    SISEYSPEGRE
    Müde fragte sich Utrect, ob Disraeli ihm mit dem winzigen Bildschirm Signale übermitteln mochte.
    DISPRUPEARS
    Die exotischen Wörter flackerten über seinem Kopf. Er schlief, den Kopf auf den verschränkten Armen, die Arme auf dem Tisch.
    Burton war wieder als Freud zur Stelle, nicht mehr untröstlich als der hinausgeworfene Präsident seiner Freud-im-Wahnsinn-Gläubigen, sondern arrogant als der Erzdiagnostiker privater Schwächen. Utrect saß bei ihm und rauchte in einem Hausrock auf einem roten Plüschsofa. Es war ungewiß, ob er Franz Joseph war oder nicht. Überall gab es Samtvorhänge, und es herrschte die enge, süße Atmosphäre eines vornehmen Bordells. Ein Trio spielte schmalzige Musik; eine Frau mit Riesenbrüsten kam herein und sang ein Gedicht von Grillparzer. Wieder Wien, im fiktiven neunzehnten Jahrhundert.
    Burton/Freud sagte: »Sie sind krank, Doktor Utrect, denn warum besuchen Sie sonst diese Kirche?«
    »Das ist keine Kirche.« Er stand auf, um seine Behauptung zu beweisen, und blickte hinter die schweren Vorhänge. Hinter jedem kopulierten nackte Paare, obwohl der Akt seltsam undeutlich erschien, und nicht so, wie Utrect ihn sich vorstellte. Jeder Akt verkleinerte ihn; er wurde kleiner und immer kleiner.
    »Sie schrumpfen, weil Sie glauben, das seinen Ihre Eltern«, sagte Burton/Freud hochmütig.
    »Unsinn«, sagte Utrect laut, nur noch dreißig Zentimeter hoch. »Das könnte nur stimmen, wenn Ihre berühmte Theorie der Psychoanalyse wahr wäre.«
    »Wenn sie nicht wahr ist, warum lieben Sie dann heimlich Elisabeth von Österreich?«
    »Sie ist tot, erstochen von einem wahnsinnigen Attentäter in Genf. Sie werden gleich behaupten, ich wünschte mir, ich hätte meine Mutter erstochen, oder ähnlichen Unsinn.«
    »Das haben Sie gesagt – nicht ich!«
    »Ihre Theorien verwirren alles nur.«
    Es kam zu einem Streit. Er war nicht mehr höher als Freuds Schuhspitze. Er wäre gern hinter eine Säule gesprungen, um nachzusehen, ob er auch das Geschlecht wechselte.
    »Es gibt kein Unbewußtes«, erklärte er. Freud betrachtete ihn jetzt durch rosafarbene Spiegelgläser, wie Utrects Vater sie getragen

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