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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Schnurrbart unterstrichen wurde. Gelegentlich zeigte sie Humor. Utrect klopfte ihr aufs Gesäß; auch das war üblich.
    Sie lächelte.
    »Das Fleisch stinkt jetzt immer nach Stilbestrol.«
    »Ich dachte, Stilbestrol ist geruchlos.«
    »Vielleicht stinkt das Stilbestrol nach Fleisch.«
    Sie hatten sich gut gehalten, dachte er, als er sich in das Bad mit Toilette einschloß. Sie hatten sich gut gehalten. Mit seinen beiden Söhnen Caspar und Nero waren sie ein Haushalt von fünf Personen, die Mindestanzahl im Verhältnis zu dem von den Wohnvorschriften festgelegten Quadratmeterumfang. Karen und Cathie verband seit dem Examen ein lesbisches Verhältnis, so daß es ganz natürlich so gekommen war, Cathie hier einziehen zu lassen. Man mußte zugeben, daß sie sich gut einfügte. Sie war ein Aktivposten. Sie hatte auch nichts dagegen, von Utrect ab und zu ihren festen, kleinen Körper erforschen zu lassen.
    Er schob solche Gedanken beiseite und befaßte sich mit dem Armbandcomputer, der Disraelis durchtelefonierten Schrei verlangsamte und ihn als verständliche Mitteilung entzifferte.
    »Ob Robert Hoggart seinen Auftrag im Mausoleum von Windsor erfüllen konnte oder nicht, ist unwichtig. Die plötzliche Zerstörung ist ein schlüssiger Beweis dafür, daß er und wir mit unserer Victoria-Hypothese auf der richtigen Spur gewesen sind. Wir arbeiten jetzt auf höchster Alarmstufe. Geheime PINCS-Kuriere informieren bereits das Pentagon in Washington und unsere Verbündeten im Moskauer Kreml. Da die als Königin Victoria bekannte Wesenheit sich nun so bloßgestellt hat, wird sie nicht zögern, die natürliche Ordnung erneut zu verzerren. Die Tatsache, daß sie bis zu diesem Augenblick noch nicht zugeschlagen hat, scheint zu beweisen, daß sie nicht allwissend ist, so daß wir eine Chance haben. Aber PINCS ist zum Untergang verurteilt, wenn sie unser Geheimnis entdeckt hat. Sie werden sich bereithalten und die Nachrichten aus Washington und Moskau abwarten. Bleiben Sie zu Hause und warten Sie auf Befehle. Ende.«
    Utrect zitterte, als er abschaltete. Er schaltete wieder ein und ließ den Computer eine weitere Episode der endlosen pornographischen Geschichte erzählen, die er Utrect seit Jahren vortrug; damit kam er schnell ins Gleichgewicht; aber in diesem Augenblick wurde an die Tür gehämmert, und er mußte sich zurückziehen.
    Er war ein Mensch, der allein stand. Die Draculin-Lage, dachte er mit schiefem Lächeln. Er schaute. Allein und gejagt. Er schaute hinauf zur Decke. Die schreckliche Wesenheit, die sie Königin Victoria nannten, konnte dort jederzeit zuschlagen.
    Die Söhne kamen von der Arbeit nach Hause, zuerst Caspar, schmal, strohblond, farblos bis auf die Akne in seinem Gesicht. Selbst seine Zähne sahen grau aus. Er war wortkarg und nervös. Dann kam Nero, zwei Jahre jünger, so blaß wie sein Bruder, Mitesser und Pubertätspusteln wie alte Grabhügel in der Landschaft seines Gesichts. Er war so gesprächig, wie Caspar stumm. Utrect ignorierte sie. Er mußte nachdenken. Schließlich zog er sich in die Dusche zurück und setzte sich auf die kalten Fliesen. Dort mochte ihn Königin Victoria nicht sehen.
    Der Abend schleppte sich hin. Er wartete auf etwas, und wußte nicht, worauf, obwohl er meinte, es sei das Ende der Welt.
    Das dem Untergang geweihte Leben glitt vorbei. Utrect fragte sich, warum die meisten Bewohner des Hiram Bucklefeather-Gebäudes rauhe Stimmen hatten. Er konnte sie durch die Wände hören, rufend, fluchend, leidend. Cathie und Karen spielten Karten. In der Wohnung der Utrects herrschte wenigstens einigermaßen Ruhe.
    Utrects Söhne steckten die Köpfe zusammen und frönten ihrem neuen Hobby. Sie waren der Shakespeare-Buchstabier-Gesellschaft beigetreten. Ihre Mitgliedschaft hatte ihnen eine Erstausstattung eingebracht. Sie hatten daraus einen komplizierten Ratten-Unterweiser gemacht. Zwei Ratten lebten darin; sie waren im Korridor eingefangen worden. Die Ratten trugen in den Lustzentren ihrer Gehirne Elektroden. Sie gierten nach dieser Lust und schalteten den Strom selbst ein; wenn er lief, steigerten sich die glücklichen Wesen bis zu sieben Stromstößen in der Sekunde, während ihre rosigen Pfoten die Schalter in ekstatischer Lust bearbeiteten.
    Strom gab es jedoch nur, wenn die Ratten den Namen SHAKESPEARE richtig buchstabierten. Für jeden der elf Buchstaben hatten die Ratten eine Auswahl von sechs Buchstaben auf einer facettierten Trommel. Die Buchstaben, die sie wählten, wurden auf einen

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