Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Minifant und den Stoffhunden Wuff und Biff war mehr was für Wiebke. Ich war zu alt dafür.
In der Klasse kriegte ich an meinem zehnten Geburtstag ein Ständchen. Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen, aber ich konnte es kaum abwarten, wieder nachhause zu kommen, weil ich meine neuen Platten hören wollte. Die Armbanduhr, mein Hauptgeschenk, hatte ich schon an.
Auch Sachkunde ging mir am Arsch vorbei. Was Kürschner sind und wie man Leder gerbt.
»Deine Schallplatten laufen dir schon nicht weg«, sagte Mama. Ich mußte ihr beim Wäschesprengen helfen. Die Laken an zwei Ecken festhalten, und Mama spritzte aus einer Siebflasche Wasser drüber.
Auf der 3x9-LP waren Schlager von Roy Black und Anita, Bata Illic, Karel Gott, Daliah Lavi, Reinhard Mey, Katja Ebstein und Chris Roberts und dazu noch Musik von Max Greger und James Last.
Eine Fuge von Bach erinnert mich an dich. Renate sagte, Roy Black sei ein Sülzbubi. Was der sich zusammenschluchze, sei Kitsch in höchster Potenz, aber ich wollte mir die LP nicht madig machen lassen. Akkordeon, Akkordeon, ich träume heute noch davon. Zwei Mark gingen an die Aktion Sorgenkind.
Volker und Renate hatten ihre Penunze zusammengelegt und eine Single von Tony Marshall für mich erstanden. Wir singen Tralala und tanzen Hoppsassa.
Ein Sprichwörterquartett, von Onkel Dietrich ein Karl-May-Album und von Oma Jever und Tante Gertrud je fünf Mark. Davon kaufte ich mir die Singles Jeder Abschied kann ein neuer Anfang sein von Freddy Quinn und Du lebst in deiner Welt von Daisy Door auf Ariola. Auf der B-Seite war ein Instrumentalstück, Jericho Angels, ohne Gesang und eigentlich Betrug am Kunden. Da drückte man fünf Mark für eine Single von Daisy Door ab, und dann war hinten gar nichts drauf von der.
Zu Mittag gab es Gänseklein und Schokoladenpudding mit Vanillesoße. Da konnte man mit dem Löffel Krater ausbaggern und die Soße reinlaufen lassen.
Das Quartett war mit Bildern. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, wo gehobelt wird, da fallen Späne, wer zuletzt lacht, lacht am besten und Gelegenheit macht Diebe. »Reißt mich nicht vom Hocker«, sagte Volker, als wir das erste Mal damit gespielt hatten.
Er war mehr für mein Karl-May-Album zu haben, aber mich ließ das kalt.
Von dem Umzug nach Amerika war keine Rede mehr. Dafür hatten Mama und Papa jetzt vor, im Urlaub mit uns allen nach Italien zu fahren. Mit dem Peugeot über die Alpen und dann an die Adria. Volker und ich waren Feuer und Flamme dafür.
Am Tag der Arbeit saß Renate auf der Terrasse und lernte was für Geschichte, und der Sohn vom Walroß geierte immer über den Zaun zu ihr rüber. Nicht ganz dicht, der Fidi.
Seit er mir mal sechzig Pfennig gepumpt hatte, war Volker mein Gläubiger und jaulte mir die Ohren voll wegen dem Geld. Von Rechts wegen war ich ja ein Krösus, aber wenn ich an meinen Schotter wollte, mußte ich den Tresor knacken, da führte kein Weg dran vorbei.
Durch Drehen und Ziehen und Ruckeln kriegte ich irgendwann die Kombination raus. Fünf, drei, null. Sesam, öffne dich! Genau neun Mark waren drin. Jetzt konnte ich immer ran an den Speck. Ich nahm zwei Mark weg, beglich meine Schulden, kaufte mir Tictac vom Rest und fühlte mich wie auf Wolke sieben.
Renate hatte es noch besser. Die fuhr zu einem Konzert von Ulrich Roski in der Rhein-Mosel-Halle und kam mit einem Plakat und einem Autogramm zurück.
Michael Gerlach und ich hatten uns vorgenommen, einmal sonntags bis zu dem Fernsehturm zu wandern, der vom Mallendarer Berg aus zu sehen war. Das muß ein schlechter Müller sein, dem niemals fiel das Wandern ein! Honigbrötchen fressen und erst abends wiederkommen.
Wir gingen der Nase nach durchs Wambachtal und den Berg hoch, an einer eingezäunten Wiese vorbei, mit Schafen und Apfelbäumen und einem Monstrum von Hirtenhund, genannt Attila, irre bellend und mit Geifer an den Lefzen. Der hätte uns liebend gerne zerfleischt, bei lebendigem Leibe.
Weiter oben, vor der Kuhweide, stand ein abgewrackter Traktor. Um die Weide war ein tickender Elektrodraht gespannt. Nie dranpinkeln, wenn man keinen Wert darauf legte, in einem Harem als Eunuche anzuheuern.
Die Kühe schleckten an hellroten Salzwürfeln, die am Zaun hingen. »Hättst du Lust, ’ne Kuh zu sein?« fragte Michael mich. »Ohne Hände, um die Fliegen zu verscheuchen, Wasser aus ’ner Blechwanne mit toten Insekten drin saufen und eines schönen Tages kaltblütig abgeschlachtet werden?«
Zwischen
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