Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Küchenhocker verrücken.
Einmal blieb Olaf auf dem Weg zum Klo an der offenen Waschküchentür stehen und machte einen Scherz von wegen Spätschicht und Gewerkschaft.
Papa brummte nur.
Im neuen Kicker war Bernhard Dietz der Mann des Tages. Der MSV Duisburg hatte Schalke 2:0 geschlagen, und Dietz hatte vom Kicker die Note 1 bekommen.
Beim Spiel gegen die Schweiz mußte Hölzenbein mit Verdacht auf Achillessehnenriß in der Halbzeit ausgewechselt werden, und wenn ich Helmut Schön gewesen wäre, hätte ich Dietz eingewechselt.
Wir gewannen knapp mit 2:1 durch Tore von Cullmann und Geye. Es war Franz Beckenbauers 86. Länderspiel.
Fußballweltmeister zu werden war nicht leicht, aber man brauchte dafür nicht soviel auf dem Kasten zu haben wie die Kandidaten im ZDF beim großen Preis mit Wim Thoelke. Da mußte man sich mit griechischer Mythologie, deutscher Außenpolitik oder französischen Weinen auskennen.
Mama wußte wieder alles. Ehrlich, die hätte da mal mitmachen sollen, aber das wollte sie nicht.
Jeden Samstag saß ich jetzt ab halb vier in meinem Zimmer am Tisch, vor mir ein Ringbuch, Stifte, Radiergummi und das Radio mit der Konferenzschaltung. Wenn ein Tor fiel, konnte ich das gleich eintragen. Gelbe Karten und Rote Karten. Für die Statistik rechnete ich die durchschnittliche Zuschauerzahl für jedes Stadion aus, malte Erfolgsdiagramme für alle Vereine und spielte, wenn das Geld langte, Toto nach Gustavs Rezept: erste Spalte 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 und dann nach Gusto. Die Gewinnquoten für Toto und Lotto standen am Dienstag auf einer Tafel hinter der Glastür in einem Hochhaus neben dem Wienerwald am Busbahnhof in Koblenz.
Die Sportschau und das aktuelle Sport-Studio durfte ich nur im Hobbyraum kucken. Mama war Fußball »Fleutjepiepen«, Renate büffelte fürs Abitur oder wedelte vorm Garderobenspiegel ihre lackierten Fingernägel trocken, weil sie wieder mit Olaf verabredet war, Volker verschwendete seine Zeit lieber in Tanz-schuppen, obwohl er früher mal Shellmünzen mit Deutschlands Nationalspielern drauf gesammelt hatte, und Wiebke war noch zu klein für aufregendere Hobbys als Gummitwist und Abzählreime. Und Papa war sowieso immer weg oder wurstelte in der Garage rum.
Im Kicker kriegte Bernhard Dietz nur Einsen, aber ich war Fan von Borussia Mönchengladbach geworden. Nach den Noten aus dem Kicker und meinen eigenen Vorlieben stellte ich meine deutsche Traumelf auf:
Maier
Vogts, Beckenbauer, Dietz, Breitner
Netzer, Overath, Hölzenbein
del’Haye, Müller, Abramczyk
Aber Gerd Müller machte ja nicht mehr mit. Das war ein Jammer. Die hatten doch ’n Stich beim DFB, daß sie weder Calle del’Haye noch Rüdiger Abramczyk noch Gerd Müller spielen ließen.
Im Europapokal der Pokalsieger schlug Eintracht Frankfurt den AS Monaco 3:0 (0:0). Zwei der drei Tore hatte die Eintracht Bernd Hölzenbein zu verdanken.
An Mamas und Papas zwanzigstem Hochzeitstag war Papa auf Dienstreise in England, und Gladbach unterlag Wacker Innsbruck 1:2 (0:0). Das erfuhr ich aber erst am Donnerstag aus dem Kicker, den ich morgens gekauft hatte. Ich lehnte mich vor der ersten Stunde an die Schulhofmauer, um alles zu lesen, und war zutiefst betrübt.
Gladbach! Hatte verloren! Da hätte man ja auch gleich Fan von Tennis Borussia Berlin oder vom Wuppertaler SV werden können. Erst als ich den Artikel zweimal gelesen hatte, ging mir ein Seifensieder auf: Es gab ein Rückspiel, und Gladbach hatte noch eine Chance! Heynckes-Tor läßt noch hoffen, stand im Kicker, auch wenn die Hoffnung nicht groß war. Doch in der Endabrechnung am 2. Oktober könnte Borussias Auswärtstor, das Heynckes in der 62. Minute erzielte, nachdem der Däne Flindt in der 53. und 55. Minute Innsbruck mit 2:0 in Führung gebracht hatte, sehr wichtig sein.
Na also.
Renate löffelte eine gezuckerte Pampelmuse aus und referierte den Schmonzes, den ihre Lehrer von sich gegeben hatten. »Arbeitsteilung versteht man so, daß einer bäckt und einer jägt.« Und der Mathelehrer sollte gesagt haben: »Das Produkt der Beträge ist gleich dem Betrug der Prodakte.«
Den MSV Duisburg schlug Gladbach mit 4:1, durch Tore von Wimmer, Heynckes (2) und Simonsen.
Neu war, daß Mama einen Malkurs an der Volkshochschule in Koblenz besuchte. Flußlandschaften und Blumensträuße malte sie da. Bei dem einen Fluß stimmte aber die Perspektive nicht. Der sah schief aus neben der Mühle am Ufer.
Am Montag brauchte ich nicht zur Schule, weil ich Schnupfen hatte,
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