Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Jungsklo im Eichendorff. Die wußten nicht, daß ich da am Kacken war, während sie am Waschbecken mit Wasser rumspritzten und sich Sachen über mich erzählten. »Soll ich mal vormachen, wie der sich die Zähne putzt?« fragte der Jochimsen und gurgelte rum, und dann brüllten alle drei vor Lachen, die Ärsche.
Mittags war der Bus schon am Zentralplatz so voll, daß ich hinten auf den Türstufen hocken mußte. Durch eine Ritze unten war beim Halten vor der Ampel am Max von Laue ein graues, breitgefahrenes Stück Kaugummi zu sehen. Diese grauweißen Sprenkel sah man jedesmal, wenn der Bus anhielt. Alle Straßen waren mit Kaugummis vollgerotzt. Ich wollte mir die Muster einprägen und ab jetzt jeden Tag hinten im Bus vor der Tür sitzen und angesichts der Sprenkelmuster feststellen, wo wir waren. Dann müßte man mir nur irgendeinen Quadratzentimeter der gesamten Busstrecke von Koblenz bis zum Mallendarer Berg zeigen, und ich könnte wie aus der Pistole geschossen sagen: »Das ist eine Stelle sechs Meter vor der Kreuzung in Urbar.« Vom Kucken durch die Ritze wurde mir aber schon in Ehrenbreitstein übel, und ich gab den ganzen Plan wieder auf.
Das Schlagerspiel gegen Gladbach gewann Hertha BSC mit 2:1, vor 91000 Zuschauern, was Bundesligarekord war.
Die Tabellenspitze sah jetzt folgendermaßen aus:
Neuer Tabellenstand:
1. Gladbach
38–18
2. Köln
36–20
3. Hertha
36–20
4. Offenbach
35–21
5. HSV
34–22
Sepp Maier war an dem Wochenende zum 300. Mal hintereinander Torhüter in der Bundesliga gewesen, und Renate rechnete aus, daß sie seit genau 700 Tagen mit Olaf zusammen war.
Auf die Anzeige in der Rhein-Zeitung antworteten zwei Ärzte, ein Landforstmeister, ein Oberbergrat, ein Diplomphysiker, ein Rechtsanwalt, ein Ehepaar und diverse Makler: Sehr geehrter Inserent, für das obige von Ihnen inserierte Objekt habe ich verschiedene ernsthafte Interessenten vorgemerkt. In Erwartung Ihrer geschätzten Rückäußerung verbleibe ich mit freundlichen Grüßen.
Im Rückspiel kriegte Köln von Gladbach wieder was aufs Haupt. 1:0 Danner (48.). Dank der Tore von Beckenbauer (2.) und Dürnberger (69.) konnte dann auch St. Etienne einpacken. Ich hätte nicht viel Lust gehabt, woanders als in Deutschland Fußballfan zu sein, außer in Brasilien.
Zum Geburtstag sollte ich eine neue Hose kriegen, und Mama fuhr mit mir nach Koblenz.
Von einem Geschäft ins nächste. In den Kabinen mußte ich mich immer irre beeilen, fast wie Speedy Gonzales.
»Bist du jetzt bald fertig dadrin?«
Wie lange man als Junge brauchte, konnte Mama sich nicht vorstellen, weil sie Röcke trug und Schuhe ohne Schnürsenkel anhatte. Ich mußte immer erst die Senkel aufknoten, die Gürtelschnalle öffnen und die alte Hose ausziehen, bevor ich in die neue steigen konnte, und meistens riß Mama den Vorhang schon zur Seite, wenn ich im Schlüpfer dastand.
Dann sollte ich auch noch dankbar sein für die neue Hose, und weil ich das nicht war, redete Mama auf der ganzen Rückfahrt kein Wort mit mir.
Zuhause war ein Blauer Brief in der Post. Meine Leistungen in Englisch seien unter ausreichend gesunken, und Papa wurde empfohlen, mit dem Englischlehrer Rücksprache zu halten.
»Jetzt wirst du an die Kandare genommen«, sagte Mama, und ich kriegte eine Woche Fernsehverbot.
Gottlob war Netzer wieder aufgestellt worden bei dem wichtigen Länderspiel in Sofia gegen Bulgarien, aber idiotischerweise nicht Dietz, und es wunderte mich kein bißchen, daß nur ein Unentschieden rauskam. 1:0 Kolev (71., Foulelfmeter), 1:1 Ritschel (75., Foulelfmeter). In der 34. Minute war Hölzenbein für den verletzten Heynckes eingewechselt worden.
Dreizehn Jahre hatte ich jetzt auf dem Buckel. Mein letzter Geburtstag in Vallendar. Ich kriegte Geld wie Heu, eine LP von Reinhard Mey, die Bücher Huckleberry Finn und Rätsel um den unterirdischen Gang, eine Unterhose mit blauen Punkten und einen Pulli. Paßte wie angegossen.
Eingeladen hatte ich bloß Michael und Holger Gerlach. Wir spielten Boccia im Garten, aber eine rote und zwei gelbe Kugeln waren leck und rollten nicht mehr gut.
Mama brachte uns ein Backblech raus mit Streuselkuchen.
Einmal klingelte das Telefon, und Volker brüllte mir zu: »Dein Typ wird verlangt!«
Wenn das jetzt Piroschka gewesen wäre. Es war aber nur Tante Dagmar. »Na, wie fühlt man sich denn so als Dreizehnjähriger?«
Von meinem Geburtstagsgeld wollte ich mir in Koblenz Hanteln kaufen, aber zwei waren mir zu teuer, und ich kaufte nur eine.
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