Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
trottete zurück aufs Schlachtfeld. Von den Unkrautwurzeln reichten viele so tief hinab, daß man halb Meppen hätte abreißen müssen, um die alle vollständig auszujäten. Wieso hatte ich bloß Eltern, die sich auch noch für das Unkraut außerhalb ihrer Gartenhecke verantwortlich fühlten? Da hätten sie mich auch gleich zum Jäten nach Nebraska entsenden können.
Die Fingernägel machte ich mir notdürftig mit Wurzelbürste, Wasser, Seife und danach noch mit der Nagelscherenspitze sauber, und dann lief ich zum Hindenburgstadion, wo der SV Meppen den VFL Osnabrück empfing. Es war das erste reguläre Fußballspiel zwischen Erwachsenen, das ich live zu sehen bekommen sollte. Dafür berappte ich zwei Mark Eintritt.
Einem Handzettel entnahm ich das Spieleraufgebot des SV Meppen: Kugler, Bernert, Mindermann, Stricker, Tappel, Hüring, Heuing, Eilers, Höfer, Runde, Persicke und Görts.
Soweit ich wußte, handelte es sich bei diesen Spielern nach den Statuten des DFB um Amateure, die für ihre Einsätze kein Geld kriegten, bevor sie es schafften, mit ihrem Verein in die Zweite Liga Nord aufzusteigen. Davon konnten die Spieler des SV Meppen allerdings nur träumen. Sie holzten und foulten, leisteten sich Fehlpässe, stolperten über die eigenen Füße und verloren verdientermaßen mit 1:5. Da war ja sogar Hannover 96 noch besser!
Ich hatte mir einen Platz an der Mittellinie ausgesucht, gegenüber der Tribüne, und einmal mitbekommen, wie zwei keuchende Spieler sich wenige Meter vor meinen Augen ums runde Leder balgten. Wie zwei blindwütige Ochsen, die aufeinander losgingen und dabei ausschlugen, stöhnten und rotzten. Im Fernsehen sahen Fußballspiele nicht so brutal aus.
Am Donnerstag kam ein Brief von Michael Gerlach.
Lieber, süßer Martin!
Das war die Rache dafür, daß ich ihn in meinem letzten Brief als »Vielgeliebter Michael« angeredet hatte.
Seit ich aus Großhäuslingen wieder raus bin, habe ich nur Ärger. Von meinem Opa habe ich ein Flitschflugzeug, also ein Flugzeug, das man mit 'nem Gummi abschießt, geschenkt bekommen. Und eins mit Gummimotor habe ich mir selbst gekauft. Alles schön und gut. Bloß waren die Dinger nicht sehr haltbar. Bei dem zum Flitschen gingen die Flügel gleich in Fetzen, denn die Landungen auf dem Sportplatz waren nicht von Pappe. Aber das ließ sich ja wieder kleben, nur waren die Landungen dann noch weniger von Pappe. Und schon – knacks – war das Scheißding in zwei Hälften gekracht. Wenn Du mal zu Besuch kommst, kannst Du die Splitter betrachten. (Holger hat die Überreste nämlich zertreten.)
Na, und das Flugzeug mit dem Gummimotor (Flügel aus 2 mm dickem Styropor, der Rest aus Plastik, Kostenpunkt 6,95 DM) verhielt sich auch nicht besser. Erstens flog es gar nicht (die Gummis rissen dauernd), und zweitens konnte man das Gummi bald gar nicht mehr aufdrehen. Na ja, zum Segeln eignete sich das Ding noch ganz gut, auch wenn bei den Landungen die Flügel zerbrachen.
Da ich noch etwas Geld übrig hatte und Holger von den Leistungen des Flitschflugzeugs ungemein beeindruckt war, kauften wir uns beide noch mal welche. Holgers kostete 8,00 DM. Man konnte es immerhin als Flugzeug identifizieren. Bei meinem für 4,60 DM war das gar nicht so einfach. Da stand irgendwas von »Apollo« drauf und: »100 feet or higher! WOW!« Man konnte einen Fallschirmspringer, eine Andeutung von Rakete und irgendwelches düsenjägerähnliches Silberzeug erkennen. Also drei Teile, die sich als völlig fluguntüchtig erwiesen, egal was man damit anstellte. Holgers Flugzeug aber flog super! Arrg! Ich ärgere mich noch kaputt!
Wie lange hast Du eigentlich noch Ferien? Ich nur noch zwei Tage. Buuhää! Das waren überhaupt die idiotischsten Ferien, die ich je mitgemacht habe, abgesehen von der Woche in Großhäuslingen. Scheißdreck, verdammter.
So, ich mach jetzt Schluß.
Der Trottel Michael!
Diesen Brief beantwortete ich sofort, obwohl es außer der Sache mit dem Fahrradschlauch nicht viel zu berichten gab. »Lieber Schnuckiputzi ...« Dann schrieb ich noch an Bayern München, daß ich gern Autogramme von den Spielern hätte, und ich legte ein Mannschaftsposter aus dem Kicker und als Rückporto achtzig Pfennig in Briefmarken bei. Säbenerstr. 51, 8 München 90. Die Adresse stand im Kicker -Almanach. Das Poster war von 1974, aufgenommen nach Bayerns Sieg im Europapokal der Landesmeister. Sowas durfte man sich ja wohl auch als Fan von Gladbach an die Wand pinnen, erst recht mit echten
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