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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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zweigten verschiedene schmale Waldwege ab, und sobald man querfeldein fuhr, stieß man an den Zaun der E-Stelle und auf Schilder mit dem Hinweis, daß das Fotografieren verboten sei, obwohl es hinter dem Zaun auch nichts Dolleres zu sehen gab als Nadelbäume, Birken, Sträucher und Sand.
    Das Gute an dem Wald war, daß es da nicht so steil auf- und abging wie im Vallendarer Wambachtal. Die paar Steigungen konnte man spielend mit dem Rad bewältigen, ohne absteigen und schieben zu müssen, und überall verliefen Trampelpfade. Es würde noch ein Momentchen dauern, bis ich die alle erkundet hatte.
    Von unserem Haus aus führte ein holperiger, von Baumwurzeln aufgerissener Radweg an der Herzog-Arenberg-Straße entlang in Richtung Innenstadt, aber da hielten einen zwei schwere Verkehrshindernisse auf. Das erste war ein beschrankter Bahnübergang. Ich kam gerade auf dem Klapprad angepeest, als die Schranken runtergingen, mit Alarm. Pingeling, pingeling! Nachdem der Schrankenwärter die Schranken runtergekurbelt hatte, vergingen ungefähr dreihundert Jahre, in denen man sich die Titelbilder der Heftchen ankucken konnte, die ein Kioskbesitzer da ausgehängt hatte. Dann zockelte in Zeitlupe ein vorsintflutliches Schienenfahrzeug vorüber, aber die Schranken blieben unten. Nach weiteren dreihundert Jahren rollte dann von links ein Güterzug mit schätzungsweise zehn Milliarden Anhängern heran.
    Kattung, kattung, kattung, kattung ...
    Als der Güterzug endlich bis zum letzten Waggon vorübergerollt war, machten die Autofahrer vorne in der Warteschlange den Motor wieder an, aber die Schranken blieben geschlossen. Was sollte denn jetzt noch kommen?
    Nach ich weiß nicht wievielen Jahrtausenden näherte sich von rechts ein Personenzug, der sich im Schneckentempo auf den Meppener Bahnhof zubewegte. Zur allgemeinen Verwunderung kurbelte der Schrankenwärter die Schranken schon drei Monate danach wieder hoch.
    Pingeling, pingeling ...
    Der nächste Verkehrsstau bildete sich vor der Hubbrücke. Wenn die sich für größere Pötte im Schiffsverkehr öffnete, stand der Autodurchgangsverkehr solange still. Für Radfahrer und Fußgänger existierte ein seitlich gelegener Überweg. Da mußte ich das Klapprad hinaufschleppen und am anderen Ende wieder nach unten. Wenn ich den Stadtplan richtig verstanden hatte, floß unter dieser Brücke die Hase hindurch und mündete ein Stück weiter rechts in die Ems.
    In der Innenstadt besah ich mir den Brunnen, das Kaufhaus Ceka und Meppens ganzen Stolz, das olle Rathaus. Das war auf neunzig von hundert Ansichtskarten abgebildet.
    Links daneben lauerte das Kreisgymnasium Meppen auf mich, mit einer eigenen Kirche und einem geteerten Schulhof, auf den ich vom Hoftor aus einen Blick riskierte. Als Protestanten, hatte Papa gesagt, würden wir auch im Emsland in der Diaspora leben, so wie ehedem im Rheinland.
    Am späten Nachmittag radelte ich noch einmal raus, in das Waldstück hinterm Stadion, und da hockte ein Kaninchenrudel und mümmelte Unkraut. Wenn man in die Hände klatschte, hoppelten ein paar von den Kaninchen weg, aber nicht weit. Um sie in die Gänge zu bringen, mußte man mit schrillem Geklingel auf sie zugefahren kommen, mitten hinein in die Meute. Dann spritzte die ganze Bande auseinander und verteilte sich im Unterholz. Rennen konnten sie ja gut, die Karnickel, aber so schreckhaft wie die hätte ich nicht sein wollen.
    Meine Starschnitte von Seeler, Grabowski und Bonhof hatten den Umzug glimpflich überstanden, mit kleineren Macken zwar, aber im großen und ganzen doch so heile, daß ich sie in meinem neuen Zimmer wieder aufhängen konnte.
    Mamas und Papas altes Radio, das schon in Vallendar die größte Zierde meines Zimmers gewesen war, stand auf dem einen Schiebetürenschrank.
    »Dreimal umziehen ist wie einmal abgebrannt«, hatte Papas Tante Hanna mal gesagt, die 1945 die Flucht aus Ostpreußen überstanden hatte und jetzt als Rentnerin im Allgäu residierte. Wir waren schon viermal umgezogen, seit ich auf der Welt war: zwei Jahre nach meiner Geburt von Hannover nach Koblenz-Lützel, dann in das Reihenhaus auf der Horchheimer Höhe, 1970 in unser Eigenheim auf dem Mallendarer Berg in Vallendar bei Koblenz und jetzt nach Meppen. Am öftesten von uns allen war Papa umgezogen. Geboren worden war er in Schwarzenau und großgeworden in Schirwindt, einem ostpreußischen Kuhdorf an der litauischen Grenze, in das Papas Vater als Pfarrer versetzt worden war, und dann in Marienwerder. Nach der

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