Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Münchner Olympiahalle gewann Muhammad Ali nach fünf Runden durch technischen Knockout.
Um vom Bund das Geld für die nach dem Umzug neu angeschafften Vorhänge und Gardinen erstattet zu kriegen, mußte Papa sämtliche Fenster ausmessen und alle Maße in ein Formular eintragen, und wenn man ihm dabei zu nahekam, brüllte er: »Nimm deine Knochen da weg!«
Beim Tangramspielen bestand das Ziel darin, schräg geformte Holzstücke zu einem Rechteck zusammenzuschieben. Da hätte ich mich auch freiwillig zum Nachsitzen in Mathe melden können, und ich schmiß die Tangramklötze in die Ecke.
In Englisch sollten wir so tun, als ob wir Urlaubspostkarten zu schreiben hätten. Going on Holiday.
Thought you’d like a card from the end of England. The weather has been really terrific since we’ve been here. So we’ve been able to go swimming every day ...
Von wegen. Eigentlich ’ne Frechheit, in der Schule schmachtenden Sträflingen solche Lügen abzuverlangen.
Zum Vorspielabend in der Musikschule kam Mama mit. Die Aula war proppenvoll, aber in der vorletzten Reihe eroberten wir noch zwei Sitzplätze.
Ich mußte an achter Stelle auftreten, so ziemlich in der Mitte des Konzertprogramms. An sechster Stelle kamen irgendwelche ungarischen Weisen, und danach stand eine Trompetensuite von Telemann auf dem Programmzettel: Andante, Allegro, Siciliano, Presto und Vivace. In den rauschenden Beifall riefen ein paar Leute »Bravo!« hinein, und dann war ich an der Reihe, mit meinem Stücksken, das nach der Trompetensuite wirken mußte wie Hänschenklein.
Zuerst mußte ich noch an der Sitzbank herumkurbeln, weil die zu tief war, und dann fielen mir die Scheißnoten runter. Wie bei Dick und Doof. Oder wie in einem Comic, aber dann hätte mir anschließend ’ne Gedankenblase überm Dassel schweben müssen: »Nicht verspielen! Nicht verspielen! Nicht verspielen!«
Und obwohl ich mich tatsächlich nicht verspielte, fiel der Applaus erschütternd mager aus. »Das war ja so kurz, daß sich das Hingehen kaum gelohnt hat«, sagte Mama, statt mir zu gratulieren. Bis die mich da als neuen Artur Rubinstein hochleben ließen, hatte ich noch viele Übungsstunden vor mir.
Der jüdische Pianist Rubinstein hatte das Gelübde abgelegt, nie wieder in Deutschland Klavier zu spielen, aber dann war er doch noch einmal aufgetreten, in Hamburg, achtzehn Jahre nach Kriegsende, und Mama sagte, daß wir Rubinstein dafür dankbar sein könnten. Die Nazis hatten dessen Familie fast vollständig ausgelöscht.
Es regnete sich ein, und zwar so elendiglich, daß man die Hoffnung aufgab, jemals wieder einen Sonnenstrahl zu erblicken. Unablässig war’s am Miegen, wie Mama das nannte, und zu Papa sagte sie, daß es am besten wäre, in unser Haus als nächsten Mieter wieder einen Bundesbediensteten reinzusetzen. So einen könne man besser an die Kandare nehmen als einen Freiberufler.
Weil ich mein Zimmer nicht ordentlich genug aufgeräumt hatte, war Mama kurz davor gewesen, mir den Film zu verbieten, in dem Jack Lemmon als Kameramann bei einem Footballspiel von einem Schwarzen über den Haufen gerannt wurde. Als tückischer Rechtsverdreher setzte der mit Jack Lemmon alias Harry Hinkle verschwägerte Winkeladvokat Walter Matthau alles darauf an, die Versicherung zu betrügen und möglichst viel Geld aus dem Vorfall herauszuschinden. Widerlich war das, aber auch lustig. Walter Matthau, dieser Typ. Der konnte mit seiner Knautschfresse nur Ganoven spielen.
Im Stellenanzeigenteil der Zeit stand eine Annonce der Firma Phonogram International. Gesucht wurden
Translators willing to work on a freelance basis for the translation of classical record-sleeve texts from English into German.
Bei dieser Firma wollte Mama sich als freie Journalistin bewerben, um auch mal wieder ein eigenes Bein an den Grund zu kriegen.
Weiter hinten in der Zeit befand sich eine Rubrik namens »Zeit-Lupe«, in der Leute unter 21 jede Woche ihren Senf zu einer Frage abgeben durften.
Kann man aus der Geschichte lernen?
Ich setzte mich an meine Schreibmaschine und legte los. Die Politik von heute, schrieb ich, habe zwar kaum noch was mit abenteuerlichen Kreuzzügen und der Verehrung von Kaisern und Königen zu tun, aber aus den Fehlern früherer Staatsmänner etwas zu lernen, das sei durchaus möglich. Innen- und außenpolitisch anwenden könne man das Gelernte natürlich nur, wenn man selber in der Politik etwas zu sagen habe.
Marke drauf und ab die Post.
Am drittletzten Spieltag
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