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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Hantieren mit der Fonduegabel. Im Topf kamen sich die vielen Stiele mit den Fleischbatzen an den Zinken ins Gehege, und Papa pfiff Volker an, weil der Toastnachschub stockte.
    Um die Gemüter zu beruhigen, erzählte Olaf was von französischer Lebensart. So ein Fondue müsse man genießen. Es gehe dabei mehr um die im stillen wachsende Vorfreude auf das jeweils nächste Häppchen als um das Ziel, sich möglichst schnell vollzufuttern ...
    Renate hatte irgendwo gelesen, daß der 31. Dezember dieses Jahr eine Sekunde länger dauere als sonst, wegen der verlangsamten Erdrotation, und Mama sagte, sie würde die Zeit ja manchmal gerne anhalten oder zurückdrehen, »aber auf die eine Sekunde kommt’s mir nun auch nicht an!«
    Wenn sich die Himmelskörper bei ihren Umdrehungen nach dem europäischen Dezimalsystem richten wollten, hätten sie viel zu tun, sagte Papa. Darauf folgte eine längere Erörterung von Zeitmessungsproblemen und der Frage, weshalb der Februar nur so wenige Kalendertage abbekommen habe. Die Nazis, sagte Mama, hätten andere Monatsnamen einführen wollen: »Hartung« für Januar, »Hornung« für Februar und so weiter. »Lenzmond«, »Gilbhart«, »Nebelung« und lauter solchen Quatsch, und damit waren wir bei der Hitlerzeit, in der Mama den Hitlergruß beim BdM einmal so lässig entboten hatte wie Hitler selbst, nur mit dem Unterarm: »Da war aber was los! Und ich sag noch, daß doch nix daran verkehrt sein kann, wenn auch der Führer das so macht!«
    Mit drei Glas Rotwein war ich gut bedient bei diesem Essen. Die stiegen mir schon zu Kopf, und ich ging nach oben, um auf dem Balkon die andere der zwei Zigaretten zu rauchen, die ich Volker mal geklaut hatte. Das geheime Leben des Martin Schlosser.
    Was Michaela Vogt jetzt wohl gerade machte? Heimlich rauchen? Oder war das nicht ihr Ding? Wenn ich Michaela Vogt gewesen wäre, hätte ich von morgens bis abends mein Spiegelbild angehimmelt und gar keine Zeit zum Rauchen gehabt.
    I love you, I love you, I love you,
    That’s all I want to say ...
    Im neuen Jahr würden die Würfel fallen. So oder so. Vielleicht ja gleich am ersten Schultag nach den Winterferien. »Können wir uns mal kurz sprechen?« würde Michaela Vogt mich in der großen Pause fragen, und dann würde alles aus ihr herausbrechen, irgendwo in einem stillen Winkel – daß sie’s nicht mehr aushalten könne ohne mich; sie habe es versucht, so oft schon, aber vergeblich, und wenn ich ihre Gefühle nicht erwiderte, dann gäb’s nur eine Lösung, die aber auch keine Lösung wäre ... und dann würde ich Michaela Vogt in meine Arme schließen, und sie würde weinen, fassungslos vor Glück.
    She’ll look at me
    What a moment that moment will be!
    Zum Abwischen der Tränen würde ich ihr dann ein Taschentuch reichen. Und zwar ein sauberes. Das sollte ab sofort zu meiner Grundausstattung gehören, damit ich nicht in die Verlegenheit käme, Michaela Vogt im Fall des Falles eine meiner alten Rotzfahnen mit Trockenstarre anbieten zu müssen, dachte ich, und ich verjagte mich fürchterlich, als im selben Augenblick ein Böller explodierte, unten auf der Straße, wo irgendwelche Krachmacher Eindruck zu schinden versuchten.
    Im Wohnzimmer durfte ich von der Feuerzangenbowle kosten, aber die zerfraß einem die Speiseröhre, und da stieg ich lieber wieder auf Rotwein um.
    Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
    Mit jenem bill’gen roten Wein ...
    Während Volker sich mit angeberischem Gehabe der Aufgabe unterzog, eine Sektflasche zu öffnen, brachte Papa im Garten drei Raketen in Stellung, und Renate tischte die Berliner und die Hobelspäne auf. Olaf hatte sich zum Spülen der verstaubten Sektgläser bereitgefunden. Aber wo war eigentlich Wiebke? Schon zu Bett?
    »Kinder, macht doch mal die Tür zu!« rief Mama, weil von der Terrasse kalte Luft hereinzog, und dann waren’s plötzlich bloß noch fünf Sekunden bis zum Jahreswechsel. Cheerio!
    Nachdem Papa sein Pulver verschossen hatte, kletterte ich im Garten am Schaukelgerüst hoch, um dem Feuerwerk am Himmel näherzukommen. Was kost’ die Welt? Juchhei!
    »Du bist wohl besoffen!« ranzte Papa mich an. »Komm da wieder runter!«
    Das war typisch. Nicht einmal in der Silvesternacht durfte man seiner Lebensfreude freien Lauf lassen, jedenfalls nicht in Gegenwart von Papa, dem alten Kamuffel.
    An alle, die sich dazu entschlossen hatten, wieder reinzukommen, verteilte Mama bunte Papierkronen. Davon setzte sich sogar Papa eine aufs Haupt, und Renate

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