Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
machte ein Foto von ihm, wie er einen Luftballon aufblies.
Der Sekt hatte mir besser geschmeckt als der Rotwein, und nach dem Sekt schmeckte mir auch die Bowle besser als zu Anfang. Mir ging’s überhaupt ziemlich gut, aber als ich dann mal für kleine Mädchen mußte, verdoppelte sich die Kloschüssel vor meinen Augen, und ich mußte mich hinsetzen und Luft holen.
Das Strullen kriegte ich noch geregelt, aber bis zum Bett war’s mir zu weit. Die ganze lange Treppe hoch? Unmöglich. Schlafen konnte ich auch irgendwo im Erdgeschoß, auf dem Läufer im Windfang zum Beispiel.
»Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?« rief Mama und zerrte mich am Arm hoch. »Marsch mit dir ins Bett! Ich hab gedacht, da liegst du längst!«
Wie lange ich im Windfang schon geschlafen hatte, wußte ich nicht. Jedenfalls lange genug, um vor Kälte zu klappern. Mama hatte recht: In meinem weichen Bett, da wäre ich viel besser aufgehoben, kuschelig eingemummelt, und ich nahm alle meine Kräfte für den Weg dorthin zusammen, aber statt im Bett fand ich mich oben vor dem Badezimmerspiegel wieder, aus Gewohnheit, um mir die Zähne zu putzen, und wo ich schon mal da war, konnte ich mich auch in die leere Wanne legen. Die sah so einladend aus, und bis zum Bett wären’s noch mehr als zehn oder zwölf Schritte gewesen ...
»Nun sieh sich das mal einer an!« rief Mama. »Liegt der Kerl hier in der Badewanne! Hoch mit dir! Ab in die Falle! Aber ’n bißchen plötzlich!«
Rein in die Kartoffeln, raus den Kartoffeln. Diesmal hätte Mama mich ruhig weiterpofen lassen können, fand ich, aber sie blieb unerbittlich, auch als mir beim Aufstehen schwindlig wurde: »Los jetzt! Keine Faxen mehr! Du hast genug Quatsch angestellt für heute!«
In einem Traum, den ich hatte, mußte ich unglaublich dringend schiffen, und ich rüttelte von außen an den Klinken verschlossener Klotüren, bis ich merkte, daß der Traum wahr war und daß es mir nicht länger half, wenn ich mich im Bett von einer Seite auf die andere wälzte. Also raus aus den Federn, mitten in der Nacht. Die Augen kriegte ich kaum auf, aber den Weg fand ich auch blind.
Was für eine Wohltat, sich auszupissen! Besonders, wenn man sich zerschlagen und todmüde fühlte und sich darauf freuen konnte, gleich anschließend weiterzuschlafen. Oder vorher noch was aus dem Wasserhahn zu trinken. Frisches, klares, kühles Leitungswasser.
Auf dem Weg zurück zum Bett fiel mir auf, daß es gar nicht mehr tiefe Nacht war, sondern heller Vormittag. In der Küche unten waren Mama und Renate am Zanken, und es stank sogar schon nach Mittagessen.
Damit brauchte mir keiner zu kommen. Ich wollte schlafen, sonst nichts, und im Bett zog ich mir die Decke über den Kopf.
Wie war das – hatte ich mich wirklich in den Windfang gelegt? Und danach, da war doch auch noch irgendwas gewesen? Irgendein Dreck? Genau, die Badewanne! Da war ich drin eingepennt und hatte dann irgendwelchen Mist gefaselt, und vorher hatte Papa mich angeschnauzt ...
Na, egal. Mich konnten alle mal kreuzweise. Ich würde jetzt schlafen, bis abends und die ganze Nacht durch bis zum nächsten Morgen, dachte ich, aber mein Gehirn spielte nicht mit, obwohl ich hundemüde war. Das drehte sich, und das ganze Bett drehte sich mit, und zwar im umgekehrten Uhrzeigersinn. Noch ein paar Umdrehungen, und ich hätte alles vollgekotzt.
Also hoch! Wieder raus aus der Kiste und rüber ins Bad, wo ich mir mit beiden Händen kaltes Wasser ins Gesicht klatschte, über dem Waschbecken, in dem noch Reste von Wiebkes ausgespuckter Kinderzahnpasta klebten.
Dann saß ich auf dem Wannenrand. Von meiner Nase tropfte Wasser auf die Bodenkacheln, und ich wußte nicht weiter. Hau dich aufs Ohr, sagte ich mir, aber als ich wieder im Bett lag, ging die Karussellfahrt von vorne los.
Das Liegen hatte keinen Zweck. Ein Frühstück mußte her. Oder lieber doch keins? Und wo war meine Brille?
Weg. Dann eben ohne Brille. In der Hoffnung, niemandem Auskunft über meinen Zustand geben zu müssen, taperte ich nach unten.
Der Eßzimmertisch war ratzekahl abgeräumt. In der Küche köchelte ein Topf mit Bohnensuppe vor sich hin, im Brotschapp lag ein Knust aus dem Karbonzeitalter, und die Bananen in der Obstschale auf der Fensterbank hatten auch schon bessere Tage gesehen.
Ich machte den Kühlschrank auf. Zum sofortigen Verzehr boten sich rohe Eier, mehrere Sorten Streichwurst, eine halbe, eingetrocknete Zitrone, Remouladensoßenreste, schiere Margarine und eine
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