Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Blutwurst an.
Fürs erste ließ ich es bei einem Schluck Milch bewenden. Dann zog ich mich aufs Gästeklo zurück, schloß mich ein, sackte auf den zuen Deckel und lehnte meinen pochenden Kopf an die Wand. Als ob ich ’n Drillbohrer im Schädel gehabt hätte. So ähnlich mußte Sepp Maier sich gefühlt haben, als er im Europacup einen Schneidezahn eingebüßt und mit einer Mullkompresse im Gebiß weitergespielt hatte.
Mein Cognac schmeckt nach Seife,
mein Pudding schmeckt nach Jod,
und mein Schwein fängt an zu pfeifen,
und am liebsten wär’ ich tot.
Aus dem Spiegel sah mich mein Ebenbild an, mit Fischmaul, zerstrubelter Frisur und geschwollenen Schielaugen. Nie wieder würde ich einen Tropfen Alkohol trinken. Das schwor ich mir, so wahr ich Martin Schlosser hieß. Gab’s da nicht sogar ein Lied drüber?
Der Teufel hat den Schnaps gemacht ...
Von Udo Jürgens, wenn mich nicht alles täuschte.
Sitzen, Stehen und Gehen hatten ebenfalls keinen Zweck, und ich legte mich wieder ins Bett. Der Zwang zur Teilnahme am Mittagessen war mir erlassen worden. Lesen ging nicht, das verschärfte nur die Kopfschmerzen, und Musikhören ging erst recht nicht. Das einzige, was ging, war Abwarten.
Als ich zur Teestunde im Wohnzimmer erschien, fragte mich Renate, weshalb ich ihr letzte Nacht im oberen Flur ein Handtuch an den Kopf geworfen hätte, aber davon wußte ich nichts.
Meine Brille hatte sich inzwischen hinter dem Schirmständer im Windfang angefunden.
»Da biste wohl schon selbst ’n bißchen durch den Wind gewesen«, sagte Volker, und ich schnappte mir zwei Kekse und die Brille und ging wieder hoch in mein Zimmer. Sollte Volker sich da unten doch sein Lästermaul zerreißen!
Erst am späten Abend löste sich der Stau in meiner Birne auf. In der Küche schmierte ich mir Käsebrote, während sich die restliche Sippschaft im Wohnzimmer einen witzigen Spielfilm ansah. »Unternehmen Petticoat«. Um zu kapieren, worum es da ging, hätte ich früher aufstehen müssen.
Danach kam ein Krimi mit dem Inspektor Columbo, der immer nur so tat, als ob er wer weiß wie schusselig wäre. Diesmal ermittelte er gegen einen von dem echten Countrysänger Johnny Cash gespielten Countrysänger, der sein Satansweib von Ehefrau und eine Ex-Geliebte kaltgemacht hatte, um wieder ein freier Mann zu sein, und als er von Columbo überführt worden war, sagte der zu ihm: »Ein Mann, der so singen kann wie Sie, kann kein ganz schlechter Mensch sein.«
Was Columbo wohl zu mir gesagt hätte, wenn ich ihm als Mörder ins Netz gegangen wäre? Ein Mann, der Alkohol so schlecht verträgt wie Sie, kann noch nicht ganz erwachsen sein?
Renate und Olaf juckelten nach dem Frühstück davon, zurück nach Bonn am Rhein, wo die Freiheit grenzenlos war, während unsereiner an den überfälligen Dankesschreiben für die Weihnachtsgeschenke herumdoktern mußte.
Den längsten Brief kriegte Michael Gerlach. Wenn sein Antwortbrief weniger auf die Waage bringe, würde ich den Ventilmops aktivieren, hatte ich geschrieben. Der wäre sicherlich sehr interessiert an der Adresse jedes unsportlichen Fahrradeigentümers vom Mallendarer Berg.
Und weil ich eine Partie Briefschach spielen wollte, setzte ich meinen Eröffnungszug untendrunter: e2–e4. Wenn Michael in die damit aufgestellte Falle tappte, blühte ihm ein Schäfermatt im vierten Zug.
Abends rief Renate an: In Unna sei der Motor stehengeblieben, und sie hätten sich für dreihundert Mark abschleppen lassen müssen bis Bonn.
»Hoffentlich verschrotten sie die olle Rostlaube jetzt und stecken da nicht noch mehr Geld rein«, sagte Mama.
An Volkers Victoria war auch schon wieder was kaputt, und zwar der Schaltdrehgriff, für den es kein Ersatzteil gab. Die Industriebetriebe stellten lieber fabrikneue Mopeds her als die Ersatzteile für Trümmerhaufen aus der Adenauerzeit.
Im Zuge seiner Politik der Ämterhäufung war der Arbeitgeberverbandspräsident Schleyer jetzt auch noch Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie geworden. BDA und BDI. Was der wohl so verdiente jährlich? Mehr als ’ne Million bestimmt, zum Lohn dafür, daß er die Arbeitnehmer am ausgestreckten Arm verhungern ließ.
Wie man in einem Spielfilm sehen konnte, waren polnische Kavalleristen im Zweiten Weltkrieg gegen deutsche Panzer angeritten. Mama ging raus, weil sie für Kriegsfilme nichts übrighatte, aber Papa blieb sitzen, bis zur letzten Szene, in der ein vereinsamter polnischer Reiter Kurs auf die Sowjetunion nahm.
»Und
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