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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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da erwartet ihn die gleiche Scheiße in grün«, sagte Papa, der es ja wissen mußte.
    Es regnete in Strömen, als ich am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien losfuhr, mit der Brille auf der Nase, und natürlich waren die Bahnschranken mal wieder unten, und ich hatte nichts zum Brilleputzen dabei. Auf dem Schulhof ging Michaela Vogt dann einmal dicht an mir vorüber.
    I nearly died, I nearly died ...
    In der großen Pause entzog sie sich meinen Blicken. Hermann Gerdes, der Bohnekamp und der Dralle seiberten über Michael Strogoff, und da konnte ich nicht mitreden, weil ich alle Folgen dieses Vierteilers verpaßt hatte.
    Nach dem Klingeln versammelte sich die ganze Klasse zur Physikstunde in einem Hörsaal im Neubau. Michaela Vogt saß mit ihrem schulterlangen Lockenhaar zwei Reihen unterhalb von mir und schrieb fast alles mit, und zwar mit links. Das war eine Gemeinsamkeit, auf die ich sie irgendwann ansprechen könnte, dachte ich, denn ich war ja selbst ein geborener Linkshänder. Wenn man mal zusammen irgendwo in einem Fahrstuhl steckengeblieben war: »Ach, und du bist linkshändig?« Ganz überrascht tun, so als ob man das noch gar nicht gewußt hätte, und sich die linke Hand dann irgendwie genauer zeigen lassen ...
    In Magdeburg hatte ein Erfinder mal die Luft aus zwei kupfernen, luftdicht zusammengesetzten Halbkugeln rausgepumpt und gewettet, daß zwei Pferde die Halbkugeln nicht auseinanderziehen könnten. Das hatten erst sechzehn Pferde geschafft, was mit dem Luftdruck zusammenhing.
    Mama saugte im Wohnzimmer die Nadeln auf, die unser abgewrackter Weihnachtsbaum verloren hatte, und das machte sie mit Schwung, beflügelt von der Nachricht, daß Frau Lohmann nach Venezuela mitkommen wollte. Deren Mann hatte ihr das erlaubt.
    Von Samstag auf Sonntag durfte ich bei Hermann in Rütenbrock übernachten. Er hatte Vorsorge getroffen und ein Sechserpack Bier in der Ziegelei versteckt, wo man sich leider fast den Arsch abfror.
    »Wer wärst du lieber«, fragte Hermann, »König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte oder Tschetan, der Indianerjunge?«
    Um gegen die staatliche Willkürherrschaft zu protestieren, hatten Intellektuelle in der Tschechoslowakei ein Manifest verabschiedet, die »Charta 77«, aber Hermann meinte, daß dahinter auch der amerikanische Geheimdienst stecken könne. Oder der Bundesnachrichtendienst: »Diese ganzen Meldungen über Unruhen im Ostblock sollte man mit Vorsicht genießen ...« Zwei Mittelstufenschülerchen wie wir, was wüßten wir denn groß von der Weltpolitik? Wir kämen ja noch nicht mal mit unserem Unterrichtsstoff in Mathe klar. Die Wurzelfunktionen als Umkehrfunktionen der Potenzfunktionen. »Erklär mir doch mal, was du unter ’nem Wurzelterm verstehst!«
    Mit den leeren Flaschen schmissen wir ein paar von den Dachpfannen ein, und dann versuchte ich, Hermann in den Kanal zu stoßen, als Fleischgericht für den Buhkeeler, hähä! Dabei verlor ich leider meine Brille, und wir fanden sie nicht wieder.
    »Die müssen wir morgen suchen gehen, im Hellen«, sagte Hermann.
    Schlafen durfte ich im Zimmer von Hermanns großem Bruder, der sich als Student in Bielefeld mit der Erforschung der menschlichen Sexualität befaßte. Das Bett war frisch bezogen und irre kalt, aber das gab sich bald.
    Die Story von meiner verlorengegangenen Brille hatte Hermann seiner Mutter schon erzählt, als ich zum Frühstück erschien. Ohne die Brille hätte ich zuhause gar nicht erst wieder anzutanzen brauchen. Hermann trieb sie nach ’ner guten halben Stunde Suche auf, im Ufermatsch, dreckig und naß, aber heile, und mir fiel ein Riesenstein vom Herzen: Mein normales Leben konnte weitergehen.
    Normal war es leider auch, morgens früh im Regen am Bahndamm zu warten, bis ein zehntausend Kilometer langer Güterzug vorbeigedonnert war, und dabei die Schlagzeile der Zeitung zu studieren, die im Schaukasten am Kiosk hing.
    6 Millionen vergaste Juden – die Lüge des Jahrhunderts
    Hätte man diesem Macker da nicht die Lizenz entziehen können?
    In Deutsch ging’s immer noch um den beknackten Kriminalroman. Der Wolfert malte ein Personengeflecht an die Tafel, mit beschrifteten Pfeilen, und in Geschichte wollte er hören, was wir über eine französische Karikatur von 1789 dächten. Da mußte ein alter Bauer auf seinem Buckel einen Priester und einen Adligen herumtragen. »Was hat der Zeichner damit veranschaulicht?«
    Ich meldete mich und wurde drangenommen. »Daß die Bauern unterdrückt werden«, sagte ich, und

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