Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
»aber der Lohmann kann sich auch nach dem Genuß von zehn Flaschen Bier noch klar artikulieren, während Papa nach der dritten oder vierten Flasche kaum noch irgendeinen vollständigen Satz zustandebringt. Der eine Mensch verträgt halt mehr Alkohol und der andere weniger, und Papa gehört zu denen, die weniger vertragen, und wenn zwei so unterschiedliche Menschen miteinander um die Wette saufen, zieht natürlich derjenige den kürzeren, der weniger Alkohol abkann. Und was Papa dabei vergißt, ist die Notwendigkeit, daß man sich als hoher Beamter gegenüber seinen Untergebenen auch in der Freizeit nicht gehenlassen darf. Aber erzähl das mal so einem alten Sturkopf wie deinem Vater!«
Bei einer Wahlkampfveranstaltung hatte Franz-Josef Strauß die SPD als »rote Wanderdüne« bezeichnet, die sich immer weiter nach links bewege. »Jetzt kommen sie wieder, die roten Systemveränderer, wie die Ratten aus allen Löchern heraus ...« Der liebe Gott sei aber kein Sozialist, denn er habe die Menschen ungleich geschaffen, und deshalb sei es auch sinnlos, von Chancengleichheit zu reden: »Was wir brauchen, ist Chancengerechtigkeit!«
Was sollte das denn heißen, bitteschön? Was war verkehrt daran, einem begabten Maurersohn wie Hermann die gleichen Ausbildungschancen zu eröffnen wie einem verwöhnten Unternehmersöhnchen? Chancengerechtigkeit, papperlapapp!
Bloß nicht wieder so ein torloses Unentschieden, dachte ich, als wir gegen die Holländer antraten. Wenn wir Weltmeister werden wollten, mußten wir sie schlagen. Die Holländer dürsteten natürlich nach einer Revanche für das WM-Finale von ’74. Aus verworrenen Gründen spielten sie aber ohne Johan Cruyff, obwohl sie ohne den nur die Hälfte wert waren, so wie wir ohne Netzer, Beckenbauer und Müller.
»Was soll denn der Scheiß überhaupt«, sagte Hermann, »wenn die besten Spieler nicht mitmischen dürfen, nur weil sich da irgendwelche Sauertöpfe auf der Funktionärsebene querstellen? Was hat ’n das noch mit Sport zu tun?«
Gegen Holland durfte Abramczik wieder mitspielen und erzielte auch sofort ein klasse Kopfballtor. Nach einem Mordsweitschuß von Arie Haan mußte Sepp Maier dann leider zum ersten Male bei dieser WM hinter sich greifen. Ein weiteres Unentschieden konnten wir uns aber nicht erlauben. Wenn ich Helmut Schön gewesen wäre, hätte ich zur zweiten Halbzeit einen frischen Stürmer eingewechselt. Den Duisburger Ronni Worm zum Beispiel. Der war doch gut!
In der siebzigsten Minute bediente Erich Beer Dieter Müller mit einer mustergültigen Flanke, und Müller bezwang den holländischen Keeper mit einem Kopfballtor, einem tückischen Aufsetzer, und es stand 2:1 für uns. Hähähä! Die Holländer warfen jetzt alles nach vorne, und sechs Minuten vorm Abpfiff traf René van de Kerkhof ins Netz. Rolf Rüßmann hatte noch versucht, den Ball mit der Hand abzufangen. Ich konnt’s verstehen, aber fair war das nicht gewesen.
2:2. Nun gut. Um uns doch noch irgendwie ins Endspiel zu mogeln, würden wir als nächstes den Österreichern eine Schlappe verpassen müssen, die sie nicht so bald vergessen sollten.
Um elf Uhr abends lief »Citizen Kane« von Orson Welles, und ich freute mich darauf, denn im Spiegel stand, daß dieser Spielfilm nach dem einmütigen Urteil der Kritiker seit Jahrzehnten als »bester Film aller Zeiten« gelte, aber was ich dann zu sehen kriegte, war mir einfach zu hoch. Ich kapierte ja noch, daß es um die verwickelte Lebensgeschichte eines amerikanischen Pressezaren ging, doch damit hatte sich’s auch schon. Der ganze Film war ungefähr so fesselnd wie ein Vortrag über Elektrotechnik auf aramäisch.
Am Morgen stellte sich heraus, weshalb Wiebkes Hamsterweibchen immer korpulenter geworden war: Es hatte fünf Junge geworfen, die jetzt blind und ferkelrosa unterm Mutterleib herumwuselten und sich um die besten Plätze balgten. Die auf der Seite liegende Alte schien sich nicht sehr viel daraus zu machen, was an ihren Zitzen vor sich ging. Eines der Hamsterjungen kam ständig zu kurz, weil es sich gegen seine drängelnden Geschwister nicht drchsetzen konnte.
So gehe es nun einmal zu in der Natur, sagte Volker. Jeder gegen jeden. Auslese. Survival of the fittest. »Schon mal was vom Darwinismus gehört?« Wenn dieses Tierchen verhungere, weil es zu schwach auf der Brust sei, dann könne es auch keine Nachkommen zeugen, die noch schwächer wären, und das sei doch ein Segen. »Stell dir mal vor, die ganze Tierwelt wäre von
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