Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
hüftlahmen Exemplaren bevölkert, die sich im Rollstuhl durch die Gegend schieben lassen müßten. Wer sollte denn dann wohl die Rollstühle schieben?«
Ich stupste das halbverhungerte Hamsterlein trotzdem immer wieder zu einer der Zitzen hin, und ich hörte Mama unten im Flur mit Wiebke streiten. Von diesen Hamsterjungen würde Wiebke sich über kurz oder lang trennen müssen. Das stand für Mama außer Frage: »Ich habe nicht die Absicht, hier ein ganzes Wildgehege zu beherbergen! Und wenn du dich weiter so kindisch benimmst, dann kracht’s hier bald ganz gewaltig! Haben wir uns verstanden? Wenn du erwachsen bist, dann kannst du tun und lassen, was du willst, aber solange ich hier noch was zu sagen habe, kommt mir maximal ein Tier ins Haus, und das ist dein verdammter Hamster! Und jetzt geh rauf und mach den Käfig sauber!«
Wir konnten noch ins Endspiel kommen, unter der Voraussetzung, daß Holland und Italien unentschieden spielen und wir die Österreicher mit mindestens fünf Toren Vorsprung schlugen, so wie 1954 beim 6:1.
Das Spiel fand in Cordoba statt, und es fing ganz manierlich an: Nach einem schönen Doppelpaß mit Dieter Müller schoß Rummenigge das 1:0. Das war dann aber auch für lange Zeit die letzte gute Szene.
Ich konnte es nicht ab, wenn sich die Spieler blöd aufführten, ob es nun unsere eigenen waren oder unsere Gegner. Am ekligsten fand ich das Gerotze. Widerlich anzusehen war es auch, wenn ein Verteidiger den zur Seitenlinie kullernden Ball abschirmte, mit hinausgestrecktem Hinterteil, um einen Einwurf herauszuholen. Oder die kindischen Proteste gegen jede unangenehme Entscheidung des Schiedsrichters, wenn es um Eckstöße und Einwürfe ging. Da hatte sich uns Uwe doch souveräner benommen. Und ich fand es albern, daß die Trainer und die Ersatzspieler in einer künstlich ausgehobenen Bodenvertiefung hockten. Wie in einem Schützengraben. Was sollte der Quatsch?
In der zweiten Halbzeit überlistete Berti Vogts Sepp Maier mit einem vom Knie abgeprallten Ball und fabrizierte ein saudummes Eigentor. In einem WM-Spiel! Ein Eigentor in einem WM-Spiel, in dem es um alles oder nichts ging! Und das als Mannschaftskapitän! Au, au!
Die Österreicher hatten jetzt Blut geleckt. Ihr völlig ungedeckter Stürmer Krankl brachte sie mit einem harten Schuß in Führung, allerdings nur für rund zwei Minuten. Gegenangriff: Freistoß Bonhof, Kopfball Hölzenbein – 2:2! Doch was brachte uns das ein? Bei einem Unentschieden waren wir nur Kandidaten für das Spiel um den dritten Platz, und welcher arme Arsch wollte bei einer WM um den dritten Platz spielen? Um ins Finale vorstoßen zu können, mußten wir fünf weitere Tore schießen, und zwar innerhalb von zweiundzwanzig Minuten. Für den Torschützenkönig Gerd Müller wäre das kein unlösbares Problem gewesen: Bevor er zu Bayern München gewechselt war, hatte er für seinen Heimatverein TSV Nördlingen einmal siebzehn Tore in einem einzigen Spiel erzielt.
Tja. Jetzt fehlte Müller vorne; Beckenbauer fehlte hinten und vorne, und in der Mitte fehlten Overath und Netzer, während die Minuten verrannen. Scheiß-DFB!
Als dann gerade mal noch einhundertzwanzig Sekunden Spielzeit übriggeblieben waren, verlor Hansi Müller den Ball an Hans Krankl, der daraufhin Rüßmann und Kaltz verlud und sich der Fünfmeterraumlinie gefährlich näherte. Sepp Maier kam aus dem Tor gerannt, auch Bernard Dietz eilte herbei, aber zu spät – Krankl traf ins Schwarze, die Österreicher rasteten vor Freude aus, und wir waren die Deppen. Die Dösköppe, die Dämel, die Karnuffel. Zu doof, um uns auch nur für das fade Spiel um den dritten Platz zu qualifizieren. In letzter Sekunde hätte Abramczik fast noch den Ausgleich erzielt, aber auf diesen Ehrentreffer wär’s nun auch nicht mehr angekommen.
Aus. Vorbei. Buenas noches.
Gute Nacht.
Den krönenden Abschluß seiner Laufbahn als Bundestrainer hatte Helmut Schön sich ja vermutlich anders ausgemalt, aber dann hätte er eben etwas mutiger sein müssen und sich die Mannschaftsaufstellung nicht von den blöden alten DFB-Säcken diktieren lassen dürfen. Das sah man ja nun, wie weit man kam mit Safety first und der Katzbuckelei gegenüber den verdammten Funktionären. Ausgeschieden waren wir! In Argentinien hatten die Trauben zu hoch gehangen für die deutsche Elf, und jetzt hatte ich auch als Zuschauer die Nase voll vom Fußball. Für immer. Sollten die doch alle machen, was sie wollten, aber ohne mich. Einem Verein die
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