Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Hauptdarstellerin eilte die Kamera immer irgendwie verschämt hinweg.
Es handelte sich um eine französisch-italienische Koproduktion aus dem Jahre 1967. Damals hatten sich die Filmemacher noch nicht getraut, den Zuschauern ein bißchen mehr zu zeigen als Hüfte, Rücken, Nacken, Bauch und Schenkel, und es war reichlich ermüdend, ständig zu denken, daß man sie jetzt gleich splitternackt vor Augen habe, die gutgewachsene Tochter von Henry Fonda, denn sie müßte ja nun bloß noch ihren sexy Zukunfts-Büstenhalter abschnallen, und dann jedesmal mit einem Schwenk der Kamera auf irgendein belangloses Körperteil abgespeist zu werden.
Was der gute alte Henry Fonda wohl von diesem Auftritt seiner Tochter hielt?
Volker war genesen. Von Rechts wegen hätten wir trotzdem noch das Haus hüten sollen, aber Mama meinte, daß wir getrost nach Jever fahren könnten, ohne uns deswegen Vorwürfe machen zu müssen.
Oma Jever saß im Wohnzimmer vor einer Rotlichtlampe. Deren Strahlen sollten angeblich gegen Migräne helfen.
In der Zeitschrift Frau im Spiegel , die in der Veranda herumlag, stand ein Bericht über die Schwangerschaft der schwedischen Königin Silvia, die 1972 noch als normale Hosteß bei den Olympischen Spielen in München gearbeitet hatte, genau wie Tante Dagmar.
Gustav war nicht da. In einer der Wäscheschrankschubladen in seinem Zimmer stöberte ich unter einem Stapel Oberhemden ein FKK-Magazin auf, mit irre vielen Farbfotos nackter Familien beim Zelturlaub, beim Baden und beim Volleyballspielen. Manchen dicken alten Frauen hingen die Brüste bis zum Bauchnabel hinunter, doch es gab auch Aufnahmen von schlanken jungen Frauen mit nahtlos gebräuntem Oberkörper. Auf einem Foto war eine der jüngeren Frauen abgebildet, wie sie vom Fahrrad abstieg, und man konnte ihr von hinten zwischen die Beine blicken.
»Tee ist fertig!« brüllte Wiebke durch die Bude.
Als ich wieder unter die Leute durfte, schickte Mama mich in Meppen zum Fotografen. Für meinen Wuermeling, den Karnickelpaß, der einen als Mitglied einer kinderreichen Familie zu verbilligten Bahnfahrten berechtigte, benannt nach dem ehemaligen Familienminister Franz-Josef Wuermeling, mußte ein neues Paßbild her.
Fürs Fotografiertwerden war ich irgendwie nicht begabt. Dabei versteifte sich mein Hals, und ich hatte das Gefühl, von Sekunde zu Sekunde immer dämlicher aus der Wäsche zu kucken, aber die Paßfotos fielen dann doch nicht ganz so schlimm aus, wie ich befürchtet hatte. Die Haare hingen mir jetzt fast bis zu den Schultern runter. Mehr erlaubte Papa aber nicht.
Weil sich Freddy immer brutaler mit dem Nachwuchs kabbelte, mußte ein zweiter Hamsterkäfig angeschafft werden. Da kamen die mittlerweile nahezu ausgewachsenen Männchen Peter und Paulchen hinein, und die Weibchen Susi und Lotti blieben bei der alten Giftnudel Freddy zurück.
Mama hatte sich mal wieder eine Emanzenzeitschrift gekauft. Courage hieß die, und sie enthielt keine Bilder von nackten Frauen, aber Gedichte von Lesbierinnen, also von Frauen, die Frauen liebten:
Das pferd mondete sich.
Winzige schwalben umgirrten es mit zärtlichem kieksen sacht
Trugen die aus dem sumpfigen grund schwellenden nebelschwabenwolken
Den plumpigen körper empor leise düfte wellten aus den tiefen
Der wälder und hüllten ihn ein.
Nebelschwabenwolken? Ob das ein Druckfehler war? So daß da eigentlich Nebelschwadenwolken hätte stehen müssen? Und was sollte das bedeuten, daß ein Pferd sich gemondet habe? Und ob sich wohl auch die heterosexuellen Frauen angesprochen fühlten von den leisen Düften und dem zärtlichen Kieksen?
Am allerunangenehmsten, sagte Hermann, wäre ihm dieser Tage eine Reise in den Südjemen oder nach Rhodesien: »In den Krisenherden der Dritten Welt würde ich mich unwohler fühlen als im guten alten Emsland! Oder wie geht’s dir bei dem Gedanken an einen Umzug nach Uganda oder in den Libanon?«
Endlich hatte Michael mir wieder einen Brief geschrieben.
Glumpfvarreckt’s!
Bin ich nicht ein faules Schwein? Aber besser ein später Brief als gar keiner. Selbst wenn er von mir stammt.
Vor ein paar Jahren (oder waren’s Wochen, Tage, Stunden, Minuten?) hab ich schon mal angefangen mit ’nem Brief. Den hat dann leider unser Wellensittich zerkaut. Wahrscheinlich langweilt der sich auch.
Am 13. Juli fahr ich also nach England. Wenn nichts dazwischenkommt. Für den Fall, daß Du das unüberwindliche Bedürfnis verspürst, mir ’nen Brief dorthin zu schicken, hier die
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