Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
allein eine Drei-Zimmer-Wohnung mieten und immerdar ledig und kinderlos bleiben. Dann gäb’s auch keinen Ehekrach, und alle wären glücklich und zufrieden.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
ob sich das Herz zum Herzen findet ...
Was dabei herauskam, wenn sich Eheleute auseinanderlebten, konnte man auch in einem Spielfilm von John Cassavetes studieren (das war der, der in »Rosemary’s Baby« den Ehemann gespielt hatte, der seine Frau an den Teufel verkauft): Da erlitt eine grausig gestreßte Hausfrau und Mutter einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen und unternahm einen Selbstmordversuch. Oder dann das Beziehungsgewürge in Ingmar Bergmans Film »Abend der Gaukler«, wo sich ein alternder Wanderzirkusdirektor erfolglos darum bemühte, seine abtrünnige Ehefrau zurückzugewinnen. Obendrein loderte er vor Eifersucht auf einen Liebhaber seiner Mätresse und prügelte sich mit dem und wollte sich ’ne Kugel in den Kopf jagen ...
Ging’s nicht auch mal weniger melodramatisch?
Die nächste Mathestunde hörte und hörte nicht auf. Weil wir beide keine Uhr hatten, fragte Ralle den Dürrkopp, wie lange es noch hin sei bis zum Klingeln, aber der sagte nix, sondern malte nur ein O in Ralles Heft. Oder sollte das ’ne Null sein? Völlig Mattscheibe, der Kerl.
Ralle hakte nach, und der Dürrkopp malte ein R vor das O.
RO. Aha.
»Sehr witzig«, sagte Ralle.
Eine Weile später malte der Dürrkopp unaufgefordert ein E dazu: ERO.
Ralle und ich sahen uns an, und wir dachten ungefähr das gleiche: Der Dürrkopp war als Kind zu heiß gebadet worden.
Als es dann endlich, endlich klingelte, krakelte der Dürrkopp ein Z in Ralles Heft: ZERO. Null.
Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich den Gag verstanden hatte, und dann fand ich ihn so extrem dämlich, daß er mir beinahe schon wieder gut vorkam.
Wiebke reiherte alles rund um sich zu. Sie hatte sich eine sogenannte Sommergrippe eingefangen, und nun lag sie im Bett, steckte ihre Nase in mistige Schneiderbücher und mußte weder bei der Erdbeerenernte noch bei der Kirschenernte mithelfen. Ich hätte auch lieber im Bett gelegen und gelesen, aber ich war ja nicht krank, sondern allenfalls liebeskrank, und das behielt ich dann ja doch besser für mich. Oder hätte es dafür ein Rezept gegeben? Beziehungsweise dagegen, also gegen Liebeskummer?
Mama zum Hausarzt: »Also, unserem Söhnchen hier, dem geht’s nicht so gut, der hat sich unglücklich in eine Mitschülerin verliebt, und nun zieht er jeden Tag ’ne Flappe, und wir können’s kaum noch aushalten mit ihm ...«
Und darauf der Hausarzt zu Mama: »Da hilft Antilovamid. Das nimmt Ihr Junge dreimal täglich ein, mit ein bißchen Flüssigkeit, und in drei Tagen hat er wieder gute Laune. Und wenn nicht, dann schicken wir ihn zu einem Spezialisten, der ihn am Herzen operiert ...«
In der Aula hielt der Schuldirektor Berthold einen Vortrag über die Reform der Oberstufe. Dazu waren auch die Eltern eingeladen worden. Ich saß in der Aula eingekeilt zwischen Mama und der dicken Mutter vom Bohnekamp, als der Berthold mit seiner Rede begann. Es werde, sagte er, keine Noten von Eins bis Sechs mehr geben, sondern Punkte zwischen Null und Fünfzehn, wobei die Punktezahl Fünfzehn den Spitzenleistungen vorbehalten bleibe. Außerdem gebe es Grundkurse und Leistungskurse, Pflichtkurse, Wahlpflichtkurse und Wahlkurse. Die alten Klassenverbände würden aufgelöst. Man habe aber auch an eine Methode der Verrechnung der Grundkursnoten und der Leistungskursnoten mit den Abiturprüfungsnoten gedacht. Darüber stehe Näheres auf einem Informationsblatt, das im Vorraum der Aula ausliege. Ich hielt eins von diesen Blättern in der Hand, und da stand:
Für die Umrechnung der Punktzahl der Gesamtqualifikation in die Durchschnittsnote gilt die Formel N = 5 2/3 – P/180 [Anmerkung: »P/180« geschrieben als Bruch, G.H.] (N = Durchschnittsnote; P = Punktzahl der Gesamtqualifikation).
Da blickte ich nicht durch. Das einzige, was ich begriffen hatte, war, daß ich Physik und Chemie in der Oberstufe abwählen durfte und mir nichts mehr anzuhören brauchte über Metallhydroxid-Säure-Neutralisation, Oxidationszahlen und Elektronenverschiebungsreaktionen, und ich mußte auch niemals wieder Erdkunde und Kunst über mich ergehen lassen. Was man nicht abwählen konnte, war Mathe, der neuralgische Punkt im zentralen Nervensystem meiner Zeugnisse.
Ich wollte Deutsch und Englisch als Leistungskurse nehmen und als Grundkurse Bio und
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