Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Letzter. Ein schnauzbärtiger Pauker, den ich nicht kannte, kläftte mich dermaßen blöde an, daß ich beschloß, auch in allen anderen Disziplinen zu versagen. Beim Weitsprung hopste ich nur zwanzig Zentimer weit, und beim Kugelstoßen ließ ich mir die Kugel vor die Füße plumpsen, so als ob ich nicht einmal ’ne Murmel hätte schleudern können. Das Lustige war, daß jetzt auch andere Schüler Quatsch machten: Die liefen auf der Aschenbahn rückwärts oder auf Händen, und die Lehrer fuchtelten mit den Armen und bliesen wütend in ihre Scheißtrillerpfeifen.
Ich war hochzufrieden, als ich mich in der Kabine wieder umzog, aber dann kam dieser saure Schnauzbart reingerannt und rammte mir den ausgestreckten Zeigefinger an die Brust und rief: »Wir sprechen uns noch, mein junger Freund! Wir sprechen uns noch! Und denn paß auf!«
Vor dem solle ich mich in acht nehmen, sagte der Bohnekamp. »Kennste den? Das war der Grewitz!« Das sei ein ganz scharfer Hund.
1964, auf dem Höhepunkt der Beatlemania, hatten die Beatles einen Film gedreht, in dem man sehen konnte, wie die Mädchen galoppiert waren, um sich ihnen um den Hals zu werfen. Bei den Konzerten waren alle ausgetickt, und nicht nur die Mädchen, auch die Jungs: Gekreischt und geheult hatte die gesamte wilde Meute und sich die Haare gerauft und geschluchzt und getobt, sobald die Beatles auf die Bühne gelaufen kamen ...
Hermann hatte das am Sonntag ebenfalls gesehen und meinte, so etwas sei ihm zu billig: »Das ist doch bloß ’n geschickt gemachter Reklamefilm der Musikindustrie, und sonst nix! Was passiert denn da, außer daß ein Haufen kleiner Mädchen hinter diesen vier Pilzköpfen herrennt? Wenn ich anderthalb Stunden von meiner Lebenszeit abknapsen soll, um mir ’n Film anzukucken, dann muß der schon ’n bißchen mehr Tiefgang haben als die übliche Fernsehreklame ...«
»Und wie fandst du die Musik?«
»Die Musik! Die kann ich mir auch anhören, ohne vor der Glotze zu hocken. Dazu brauch ich keine Filme von der Propagandakompanie!«
Mit etwas Vitamin B hatte Mama für August einen Ferienjob als Sekretärin im Funkhaus Hannover ergattert, als Urlaubsvertretung für eine Kollegin von Tante Dagmar. Mama würde dann sogar in der Wohnung dieser Kollegin hausen können. Auf diese Weise wären auch deren acht Zimmervögel versorgt.
Beim NDR hatte Mama früher schon gearbeitet, als sie noch keine Kinder gehabt hatte.
Vorher wollte sie aber noch mit Wiebke nach England. Ich selbst durfte mal wieder nach Jever und nach Hannover. Volker, der sich in den Kopf gesetzt hatte, den Führerschein Klasse 1 und 3 zu machen und sich ein gebrauchtes Motorrad zuzulegen, wollte irgendwo in Meppen auf dem Bau arbeiten.
»Wenn du auf so ’nem Ding die Gegend unsicher machen willst, dann erklär ich dich für verrückt«, sagte Mama. Reiner Wahnsinn sei das.
»Mopedfahren ist viel gefährlicher«, sagte Volker. Er könne das beurteilen; schließlich habe er schon fünfundzwanzigtausend Kilometer auf dem Moped abgeritten. Und wenn er sich nächstes Jahr als Soldat sein erstes eigenes Auto anschaffe, erspare ihm das Motorrad die sonst fälligen 25 Prozent Versicherungsaufschlag für Autoanfänger. Die entsprächen ziemlich genau der Summe, die er jetzt für die Versicherung eines Motorrads mit 27 PS aufwenden müsse. Und er könne Touren mit seinen Freunden machen, ohne immer hinterherzuzockeln und den ganzen Verein aufzuhalten.
»Den gemeinützigen Verein der Motorradrocker Meppen e.V.«, sagte Papa, und Mama sagte, daß ihr jedesmal ein Schauer über den Rücken laufe, wenn so eine Bande von Motorradfahrern auf der Autobahn von hinten angeschossen komme.
Dagegen wandte Volker ein, daß die Autofahrer in den meisten Fällen die Motorradfahrer in Schwierigkeiten brächten und nicht umgekehrt.
Am letzten Schultag fuhr ich mit der leisen Hoffnung los, Michaela Vogt noch einmal tief in die Augen schauen zu können, aber daraus wurde nichts, denn sie fehlte.
Auf meinem Zeugnis hatte ich Zweien in Reli, Sozi, Deutsch und Erde, Vieren in Kunst und Bio und alles andere Drei. Damit war mir der sogenannte erweiterte Sekundarabschluß I geglückt. Erst Sek I, danach Sek II und dann das Abitur und dann die große Freiheit Nummer sieben.
Mama hatte sich neue Klamotten gekauft. Im Kleiderschrank einer Nur-Hausfrau fehle eben so manches, was bei einer Sekretärin einfach dazugehöre.
Und was gab es sonst noch Neues? Das Hamburger Landgericht hatte die Klage der
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