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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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war durch eine abschließbare Tür im Flur vom Rest der Wohnung getrennt, und ich schloß diese Tür hinter mir ab, bevor ich mich auszog und mit einem Ständer duschen ging, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte. Wenn man zur Strafe für die Selbstbefleckung in die Hölle kam, dann hatte ich sowieso keine Chance mehr, ins Himmelreich zu gelangen.
    Für die Tonaufnahmen sei es morgen noch früh genug, sagte Tante Hanna. »Jetzt gibt’s erst einmal Happa-Happa.«
    Fräulein Kunze trug eine Schüssel mit Rührei ins Eßzimmer. Es gab dazu Brotschnitten, Butter, Käse, Schinken und Wurst und zu trinken je nach Gusto Wasser oder Tee.
    »Und nun erzähl doch mal«, sagte Tante Hanna. »Wie geht’s denn deinen Geschwistern?«
    »Gut.«
    »Renate, die studiert doch fleißig? Und ihr Verlobter, was ist mit dem?«
    Das wußte ich nicht so genau.
    »Und deine anderen Geschwister?«
    Ich kaute auf einer Bierwurstbrotscheibe herum und schluckte den Bissen hinunter, bevor ich erwiderte: »Volker will nach dem Abi zum Bund, und Wiebke, die wächst halt so vor sich hin ...«
    Das amüsierte Fräulein Kunze: »Ach, die wächst so vor sich hin? Na, was soll sie denn auch sonst tun!«
    »Und deine Eltern, wie geht’s denen?« fragte Tante Hanna.
    Scheiße, hätte ich antworten müssen, wenn ich ehrlich gewesen wäre.
    »Gut«, sagte ich. »Gut.«
    Als der Eßtisch abgeräumt war, öffnete Fräulein Kunze eine Flasche Weißwein, und Tante Hanna rückte mit drei kleinen Weinpokalen an. »Oder möchtest du vielleicht lieber irgend’n Saft haben? Oder Wasser? Oder Malzbier?«
    Nein, ich wollte Wein.
    »Schließlich heißt es ja auch in der Bibel, daß der Wein des Menschen Herz erfreue«, sagte Fräulein Kunze. »Und wir sind doch gute Christen!« Sie schenkte ein, und dann begann der gemütliche Teil des Abends.
    Auf Tanta Hannas Vorschlag hin tranken wir unser erstes Glas auf das Wohl der Familie Schlosser. Der Wein schmeckte ein bißchen sehr nach Essig, fand ich, aber davon ließ ich nichts verlauten. Tante Hanna zündete sich eine Filterzigarette der Marke Dunhill an, und Fräulein Kunze dito. Die alten Tanten qualmten, was das Zeug hielt. Einem ihrer Kollegen, sagte Fräulein Kunze, sei einmal im Lehrerzimmer eine Kippe aus dem Mund gefallen. »Und das nur, weil der sich eine neue Zigarette anstecken wollte, ohne daran zu denken, daß er schon eine in Betrieb hatte! Und da hat er gesagt, nee, das geht jetzt selbst mir zu weit! Wenn das so ist, dann hör ich auf mit dem Rauchen. Und der hat das durchgehalten! Aber wir, wir geben unser kleines Hobby nicht mehr auf in diesem Leben, nicht wahr, mein gutes Hannchen?«
    Tante Hanna schmunzelte und schwieg und stieß den Qualm durch ihre Nasenlöcher aus. Das stand ihr gut. So eine paffende und weinsüffelnde Großtante war doch mal ganz was anderes als Oma Schlosser, die man sich gar nicht anders vorstellen konnte als mit Krückstock, Diabetes, Gesangbuch und Dutt.
    Es sei ja putzig oder nachgerade rührend, sagte Tante Hanna, daß ich die Absicht hätte, ihre Jugenderinnerungen für die Nachwelt festzuhalten. »Aber wen soll das denn interessieren? Die Jugend will doch ihren eigenen Träumen nachhängen und sich nicht mit irgendwelchen längst vergangenen Geschichten auseinandersetzen ...«
    Fräulein Kunze füllte mein ausgetrunkenes Glas wieder auf. In diese Gläschen paßte aber auch nur eine bessere Pfütze hinein.
    »Willst du dich denn auch mal ins Studentenleben stürzen?« fragte Tante Hanna. »Wenn du die Schule hinter dir hast?«
    Germanistik studieren, in einer richtigen Großstadt, und in einer Wohngemeinschaft leben, mit gewitzten Leuten? Nudelgerichte kochen, Partys feiern und ins Kino gehen? Ganz locker mit umwerfend schönen Studentinnen der Anglistik und der Soziologie in der Mensa über politische Fragen diskutieren, abends eine Stammkneipe aufsuchen und sich anschließend zu zweit ins Bett begeben, mit einer aufs Geratewohl herausgepickten Frau? Oja, dazu hatte ich Lust. Aber das behielt ich für mich.
    Aus ihrer eigenen Studienzeit berichtete Tante Hanna, daß die Klassen in der Kunstakademie nach den Namen der Professoren Storch und Wimmer benannt worden seien: Storchklasse und Wimmerklasse. »Die zogen beide an die See, an die Kurische Nehrung, wo wir bei Fischern auf dem Hof wohnten, und diese Fischer hatten im Frühjahr Krähennester ausgehoben und sich die Jungtiere gezähmt, und als im Herbst die großen Krähenschwärme einfielen, wurden die gezähmten

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