Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
einzigen Menschen kannte!
»Nun mal langsam«, sagte Mama. Diese Pläne seien noch nicht spruchreif.
Bei Meyer bestellte ich mir die Schriften des chinesischen Philosophen Konfuzius, und bei Ceka kaufte ich mit Mamas Geld Kasetten für die Tonaufnahmen im Allgäu. Dann packte ich meine Sachen ein. Mama ging noch einmal gründlich alles durch und warf mir meinen Kamm zu: »Hier, du Ferkel! Mach den mal sauber, der starrt ja vor Dreck!«
Die Bahnreiseroute hatte Papa aus dem Kursbuch herausgesucht. Zwölf Stunden Fahrt. Ich kriegte dreißig Mark Taschengeld mit und war froh, als der Zug den Meppener Bahnhof verließ.
Marmeladenbrötchen fressen, Sprudel trinken und die Landschaft betrachten. Ich hatte ein Abteil für mich allein und saß am Fenster. Hecken, Höfe, Äcker, Zäune, Gräben, Wiesen, Weiden, Wege, Bäume, das flog alles so vorbei. Die armen Leute, dachte ich, die da in ihren Budiken feststecken, mit ihren doofen Familien, während ich hier selbst wie der Wind vorübereile ...
In Münster mußte ich in einen D-Zug umsteigen. Vorher hatte ich gerade noch genug Zeit dazu, um mir am Bahnhofskiosk die neue konkret zu kaufen, und dann war der D-Zug so voll, daß ich stehen mußte. Erst als der Zug in Unna hielt, erwischte ich einen freien Platz gleich neben einer Abteiltür, der nicht reserviert war. Leider quatschten da zwei dicke Omis über ihre Dackel, und zwar mit mindestens achtzig Phon.
»Einer von meinen zweien ist letzte Woche gestorben, das war ’n ganz trutschiger, und ich will wohl nochmal ’n neuen haben ...«
»Wir hatten jetzt insgesamt sechs, mein Mann und ich!«
»Der Tierarzt, näch, der hat gesagt, das war Rattengift. Da war nach zehn Minuten alles vorbei.«
»Ja, unserer ist auch nicht mehr gesund, obwohl, wir sind ja in ’n Dackelklub eingetreten in Augsburg ...«
»Bei uns sind das zwei Welpen aus einem Wurf gewesen. Wir hatten nur einen gewollt, aber denn hat der andere so furchtbar gejault, und denn hamm wir den auch noch genommen ...«
»Mein Mann und ich, wir haben immer Rauhhaardackel gehabt, wir kennen das gar nicht anders.«
»Das is’ ja auch richtig, näch, wenn man das näch anners kennt«, sagte die eine der beiden Omis, und darüber mußten sie und die andere Omi so schrecklich lachen, daß die eine zu husten anfing und der anderen fast die Brille runtergeflogen wäre.
Den Witz, über den die Omis sich da vor Lachen kaum einkriegten, hatte niemand außer ihnen kapiert. Es lachte jedenfalls keiner mit; weder ich noch die drei anderen Passagiere. Einer löste Kreuzworträtsel, einer las ein Landserheft und einer pennte. Das war der dickste von allen. Der hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und seine Stampferbeine so aufgestellt, daß ich kaum irgendwo Platz fand für meine eigenen Quanten. Die konnte ich nur bei offener Tür so halb auf dem Außengang unterbringen. Oder ich hätte sie durch den schmalen Spalt zwischen den Unterschenkeln des schlafenden Monstrums vor mir hindurchfädeln müssen.
»Ja, mit den Kindern früher«, schrie die eine Omi, »wie die noch klein waren, und denn mit dem Hund durch ’n Garten, aber das Haus, das haben wir ja verkloppt, wie mein Mann versetzt worden ist, und da hab ich ja mitgemußt nach Augsburg! Die haben ja ’ne ganz andere Mentalität da, die Menschen, und die Sprache allein! Und die Schwaben da erst! Die mögen eben die Preußen nicht!«
Und die andere Omi schrie zurück: »Wir machen ja seit Jah-ren-den, was sach ich, also seit dreißich oder mehr Jahren Urlaub in Mittenwald jeden Sommer, näch, aber das gefällt uns gut, und ich find’ ja auch die Berge so imposant!«
»Ja, im Urlaub, das ist denn natürlich was anderes, aber ich wohn’ ja nun schon mehr wie zehn Jahre in Augsburg, und die mögen da nun mal die Preußen nicht! Da wird man auch nicht eingeladen. Nix! Und wenn man mal irgendwo klingelt, denn machen die die Tür da gar nicht richtig auf. Nur so’n Fußbreit! In Bad Segeberg, also mein Mann und ich, wir haben da früher ein offenes Haus gehabt, da konnte jeder kommen, aber Augsburg – oder München erst! Da hab ich mich mal auf dem Bahnhof verlaufen. Meine Schwägerin, die hatte mich da mal abholen wollen ...«
»München! Da könnt’ ich Ihnen aber auch Geschichten erzählen! Da bin ich früher oft mit meinem Mann gewesen ...«
»Da hab ich mir gesagt, das mach’ ich nicht mehr mit ...«
»Aber mit dem Auto nach München rein, das mutet sich ja heute auch keiner mehr zu ...«
»Nää,
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