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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Jugend auf, aber es geht nicht! Da hab ich irgendwo ’ne Sperre!«
    Während Fräulein Kunze Rindfleischgulasch kochte, spielten Tante Hanna und ich Canasta. Leider hatte ich fast nur lauter Luschen auf der Hand, und Tante Hanna machte im Hauruckverfahren Schluß, indem sie einen Damencanasta und ihre anderen zusammenpassenden Karten auf den Tisch legte.
    Die eigenen Miesen zählen zu müssen, die man nicht ausgespielt hatte, das war keine angenehme Aufgabe. So wär’s vielleicht auch irgendwann mal in der Hölle. Dann würde es womöglich heißen: Was, du hast deine Talente nicht genutzt? Na warte, du Feigling! Jetzt soll dir das alles zu deinem Nachteil ausschlagen!
    Die übelste der alten Familiengeschichten erzählte Tante Hanna abends erst, als ich den Rekorder ausgestellt hatte: Als Kind habe Papa einmal irgendwas ausgefressen, und sein Vater, also Opa Schlosser, sei wütend hinter ihm hergerannt und habe gebrüllt: »Ich schlag ihn tot! Diesmal schlag ich ihn tot!« Oma Schlosser, also Papas Mutter, habe sich schützend dazwischengeworfen, hochschwanger, und genau in diesem Moment eine Fehlgeburt erlitten.
    Ach du liebe Güte. Arme Oma!
    Aber auch armer Papa!
    »Dein Vater hat es nicht leicht gehabt«, sagte Tante Hanna und schmauchte an ihrer Zigarette. »Weder als Kind noch als Jüngling und schon gar nicht als Gefangener in Rußland. Und ich frage mich ja bisweilen, was er euch Kindern von dieser Zeit überhaupt erzählt hat ...«
    »Nicht viel«, sagte ich, wahrheitsgemäß.
    »Na, siehst du«, sagte Tante Hanna, »das trägt dein Vater so mit sich herum, und er kann darüber nicht gut sprechen, aber ich glaube, daß er euch alle ganz fürchterlich liebhat. Nur, er kann es nicht so offen zeigen wie unsereiner, aber ich habe ihn schon als kleinen Jungen gekannt, und da hat er manchmal bei mir auf dem Schoß gesessen und sich bei mir ausgeweint ...«
    Papa als kleiner Junge auf Tante Hannas Schoß?
    »Hannchen«, sagte Fräulein Kunze, »ich glaube, wir lassen’s nun mal gut sein für heute. Und du müßtest mir sowieso noch bei dem Fenster in der Vorratskammer helfen. Ich krieg das wieder nicht richtig zugeballert!«
    Papa als weinendes Kind! Vorm Einschlafen versuchte ich mir vorzustellen, wie er dabei ausgesehen haben könnte. Tante Hanna mochte ihn gut leiden, aber die war ja auch nicht sein Sohn.
    Zum Nebelhorn, einem mehr als zwei Kilometer hohen Berg, mußte man in einer Gondel und dann noch mit einer Sesselbahn hinauffahren. Dabei konnte man wilde Gemsen herumspringen sehen, und ringsherum gab’s massig andere Berggipfel. Mitten über der tiefsten Schlucht blieb die Sesselbahn stehen, und erst nach fünf Minuten Ungewißheit ging die Reise weiter. Tante Hanna und Fräulein Kunze wußten wohl schon, weshalb sie sich diesen letzten Teil der Strecke geschenkt hatten: »Das mach du man allein, das brauchen so alte Tanten wie wir uns nicht mehr anzutun!«
    Von oben hatte ich dann freie Sicht auf halb Europa. Dudeliö-aho!
    Ganz in der Nähe nahm ein Drachenflieger Anlauf, und das wollte ich fotografieren, aber genau in dem Augenblick, als ich auf den Auslöser drückte, flatterte ein Rabe vor die Linse.
    Drachenfliegen, das wäre für mich nichts gewesen. Zugegeben, es sah schon gut aus, wie dieser Fritze da durch die Lüfte schwebte, aber wenn nun wider Erwarten mit dem Segel irgendwas faul war? Oder wenn der Steuermechanismus klemmte? Oder die Sicherheitsgurte versagten? Dann würde es heißen: Adios, du schnöde Welt!
    Der Dollar war jetzt bloß noch 1,7285 DM wert. Wie die da wohl die dritte und die vierte Stelle hinterm Komma ausgerechnet hatten?
    Beim abendlichen Weintrinken überkam Tante Hanna die Sangeslust.
    Ich bin von Kopf bis Fuß
    Auf Liebe eingestellt ...
    Um besser singen zu können, war Tante Hanna von ihrem Wohnzimmersessel aufgestanden.
    Männer umschwirr’n mich
    Wie Motten um das Licht.
    Und wenn sie verbrennen
    Ja, dafür kann ich nicht ...
    Ich durfte das alles aufnehmen. Tante Hanna genierte sich nicht davor, in die Rolle einer männervernaschenden Diva zu schlüpfen, und Fräulein Kunze spendete Applaus.
    Danach sang Tante Hanna ein Lied über zwei Grenadiere, die ihrem gefangenen Kaiser nachtrauerten und davon träumten, daß er eines Tages wieder an die Macht gelangen werde.
    Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
    Viel Schwerter klirren und blitzen;
    Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab –
    Den Kaiser, den Kaiser zu schützen!
    »Dieses Lied«, sagte Tante

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