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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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die Idee verfallen wäre, unliebsame Regimekritiker in die DDR abzuschieben?
    In Jever hatten Mama und Papa ein Grundstück kaufen wollen, waren aber überboten worden.
    Gut. Bloß nicht wieder diese Scheißumzieherei. Wie in dem einen Gedicht von Hölderlin, das wir mal in Deutsch durchgenommen hatten, über die leidenden Menschen, denen es gegeben sei, auf keiner Stätte zu ruhen, sondern blindlings von einer Stunde zur andern zu schwinden und hinabzufallen:
    Wie Wasser von Klippe
    Zu Klippe geworfen,
       Jahr lang ins Ungewisse hinab.
    Nächstes Jahr, sagte Volker, werde er einen Unteroffizierslehrgang besuchen und im Sommer 1980 seine eigene Haubitze bekommen.
    Worauf der sich so freute. Ich wußte gar nicht, was das war, ’ne Haubitze, und ich wollt’s auch nicht wissen.
    Mama fuhr nach Bonn, auch um sich da die Bundesgartenschau anzusehen. Ein noch beknackteres Reiseziel hätte ich mir nicht vorstellen können. Bonn, okay, aber die Bundesgartenschau? Was wollte Mama da denn anstellen? An Rosenkelchen schnuppern und Blumenbeete begaffen? Sowas gab’s doch auch in Meppen! Wozu in die Ferne schweifen?
    Mama sei nun mal reiseverrückt, sagte Papa. »Aber wenn sie das unbedingt braucht ...«
    Ich ging wieder an den Rumtopf und schöpfte mir da in ein Wasserglas mit einer Suppenkelle alles raus, was ich beim Musikhören noch brauchte.
    Wiebke gab beim Frühstück an wie sechs nackte Neger, daß sie und ihre Freundin Carola in der Gemeindebücherei ganz alleine Dienst geschoben hätten gestern, und dazu sollten wir jetzt wohl sagen: »Ach, das ist aber toll!«
    Von Papa, der sich gerade den Rachen am heißen Kaffee verbrüht hatte, konnte Wiebke keine Anerkennung erwarten, und von mir schon gar nicht. Von mir hatte Wiebke einmal ein Eis ausgegeben gekriegt und sich nie dafür revanchiert.
    Am Sonntagabend kam Mama aus Bonn zurück und tippte unverzüglich den geplanten Leserbrief in die Maschine, während wir anderen vorm Fernseher hockten, und nach Sendeschluß knallte Mama die getippten Seiten auf den Couchtisch: »Hier! Damit ihr nicht denkt, daß ihr ’ne geistlose Mutter hättet!«
    Wiebke verabschiedete sich, wegen Müdigkeit, und Papa war schon halb eingeduselt, und so blieb es an mir hängen, Mamas Leserbrief durchzulesen.
    Liebe Frau Knorr-Anders!
    So vertraulich? Mama kannte die doch gar nicht?
    Da kommt mir an diesem Wochenende zur schönsten ostfriesischen Teezeit, um elf Uhr vormittags,
    (was gar nicht stimmte; es war fünf Uhr nachmittags gewesen)
    Ihr Artikel über die Wonnen eines Besuchs in der kleinen Teestube in die Hand. Wie ich da so meine herzhafte Ossi-Mischung mit Kandis und Sahne umrühre, versuche ich mir vergeblich vorzustellen, welcher Art diese einigermaßen exotischen Wonnen wohl sein mögen. Nun, jedem sein Geschmack. Aber Tee im Stehen? Da sträubt sich doch mein friesischer Teeverstand, zumal dafür auch noch mit Begriffen »ausspannen«, »friedlich« oder sogar »Träumerei« geworben wird.
    Daß Sie solch einen Teesalon kennenlernen wollten, obwohl Sie Tee eigentlich gar nicht mögen, finde ich ja ganz schön mutig. Ich möchte auch beileibe nicht den Eindruck entstehen lassen, daß ich etwas gegen solche Einrichtungen hätte. Ein Stück alternatives Leben mitten in der Großstadt – warum nicht? Allemal besser als eine weitere, noch so originelle Kneipe.
    Wieso denn das? Für mich wäre eine originelle Kneipe eine gute Alternative zu einem Teesalon gewesen, in dem man nur stehen durfte.
    Ohne Zweifel ist es außerordentlich verdienstvoll, dem Tee neue Liebhaber hinzugewinnen zu wollen, nur: Steht man da als Tee-Neuling nicht einigermaßen ratlos vor einem so großen Angebot ausgefallener Mischungen? Honeymoon Tea oder Mandarin Pekoe klingt ja wirklich hübsch, doch ist wohl immer jemand da, der die Zusammensetzung erklärt? Ich hatte den Eindruck, daß der Nickelbrillen-Schlaumeier Ihres Artikels mit seinen angelesenen Tee-Weisheiten Ihnen auch nicht viel weiterhelfen konnte. Er hat offenbar auch nicht gewußt, daß es das einzig richtige deutsche Teewasser nicht gibt. In Wahrheit verhält es sich so, daß eine Teesorte, je nach Beschaffenheit des Trinkwassers, an einem Ort ein wunderbares Aroma entfaltet und an einem schlicht gar keines.
    Ob die Verfasserin das aber alles wissen wollte?
    Nehmen wir ruhig einmal an, alle Voraussetzungen für einen wirklichen Tee-Genuß seien gegeben. Warum bloß muß man dann das Pariser Vorbild exakt kopieren und Tee im Stehen trinken wie

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