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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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anzukucken, wie bitterlich Oma dabei vorn auf ihrer Bank ins Taschentuch weinte. Tante Gisela hatte den linken Arm um Omas Schultern gelegt.
    »Unser Leben währet siebzig Jahre, wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist’s Mühe und Arbeit gewesen, denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon«, sagte der Pastor, bevor er auf Opa Jevers Verdienste als Leiter der Lebensabend-Bewegung, als Organisationswart des Altertums- und Heimatvereins und als Mitglied des Singvereins einging. »Unser neunzigster Psalm weist auf den Gott hin, der unser Leben durchdringt in all seinen Höhen und Tiefen, mit seinem Atem, auf den Gott, der vor 83 Jahren in Altfunnixsiel dem Kaufmannsehepaar Lüttjes diesen Sohn geschenkt hat, und auf den Gott, der den Ehemann und Vater und Großvater Gepke Lüttjes und den engagierten Mitbürger und den Lehrer vieler Generationen jeverscher Kinder nun so unerwartet aus dieser Welt gerufen hat ...«
    Ich brauchte ein Taschentuch, aber weder Wiebke noch Volker, die neben mir saßen, hatten eins übrig für mich.
    »Wir müssen Gepke Lüttjes wenige Tage vor Weihnachten begraben«, sagte der Pastor. »Aber es wird uns dadurch um so deutlicher, daß über unserm Leben und über unserm Sterben das Leben und Sterben Jesu steht. Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude, werden wir gleich singen. Diese Freude gilt nicht nur für die Lebenden, sondern auch für die Toten als eine ewige Freude. Amen.«
    Häh? Weil Opa Jever kurz vor Weihnachten begraben werden mußte, sollte einem umso deutlicher werden, daß das Sterben von Jesus Christus ein Grund ewiger Freude sei? Hatte dieser Pastor einen Hau?
    Vier Chormitglieder stimmten einen Gesang an.
    Jesu, meine Freude,
    Meines Herzens Weide,
    Jesu meine Zier,
    Ach, wie lang, ach lange
    Ist dem Herzen bange
    Und verlangt nach dir!
    Renate war am Weinen. Meine eigenen Tränen wischte ich mir mit dem Mantelärmel weg.
    Vier starke Männer seilten den Sarg in das offene Grab hinab, ruckweise, und als sie damit fertig waren, trat der Pastor an die Grabstelle und sprach das Vaterunser.
    Irgendwo da unten waren auch Omas Eltern beerdigt worden.
    Von den engeren Angehörigen sollte jeder eine Schippe voll Erde auf den Sarg werfen. Das gehörte zum Zeremoniell.
    Hinter uns stand ein Grabstein mit der Inschrift:
    JOHANN HOLJEWILKEN
    VERW.-OBERINSPEKTOR
    10.12.1897 – 11.10.1969
    Gustav sagte, das sei formaljuristisch nicht korrekt, denn solche Titel würden mit dem Tod des Inhabers verfallen. Seltsam war’s auch, einerseits noch auf dem Grabstein mit so einem Amtstitel zu protzen und den dann andererseits abzukürzen, um Platz zu sparen.
    Father McKenzie,
    wiping the dirt from his hands as he walks from the grave ...
    So halb kriegte ich noch mit, wie ein alter Uhu Oma Jever kondolierte und ihr sagte, daß sie ja man noch froh sein dürfe über all die langen und glücklichen Jahre ihrer Ehe. »Un uns Herrgott hett daröwer mehr wie fofftig Johr sien Sünn schienen laten!« Irgendwann, so sei das nun mal, gehe es eben zuende. Es sei ihm selbst nicht leichtgefallen, als Witwer ans Grab seiner Frau zu treten, die viel zu jung gestorben sei. »Mit nägenunseßtig!« Aber es liege doch alles in Gottes Hand: »Freud un Leid, Geburt un Dod.« Und dann drückte er ihr die Hände, und Oma flossen unter ihrem Witwenschleier die Tränen übers Schlüsselbein.
    Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.
    Nach dem Begräbnis zog die Trauergemeinde ins Haus der Getreuen um, und da wurde es noch ganz fidel und gesellig. Da gab es als Leichenschmaus Butterkuchen zum Kaffee und anschließend Schnapsikalien und Bier, und es machten Döntjes aus Opas Leben die Runde. Gepke Lüttjes sei ein frohes Haus gewesen, ein wahrer Pfundskerl und ein guter Freund, und seine ehrenamtliche Betätigung für die Lebensabend-Bewegung, nicht zu vergessen, damit habe er sich wahrlich verdient gemacht. Und dann seine Vortragskünste: Hein Bredendiek und Fritz Reuter, deren Sachen habe Opa immer so wunderbar vorgelesen, bei jeder Feier, und dann noch die Verdienste um den Heimatverein!
    Einen Lütten genehmigte sich auch Oma, und Tante Dagmar schrie: »Wi bruukt noch watt, um uns de Kehl to öl’n!«
    Gustav ließ sich Feuer geben (»Hab Dank für soviel Milde!«), und ich bestellte mir ein zweites Bier. So lustig hatte ich mir das gar nicht vorgestellt.
    Vor zwei Jahren, sagte Gustav, habe er beim Altstadtfest in Jever auf dem Rasen vor der Kirche

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