Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
sein, wenn’s da so toll wär in der DDR und bei uns so beschissen!«
Im ZDF lief wieder ein Weihnachtsvierteiler, »Mathias Sandorf«, aber den fand ich nicht so besonders. Ich hätte lieber noch einmal die Abenteuer von Tom und Huck gesehen. Oder den »Seewolf« oder »Zwei Jahre Ferien«.
Auf dem Berliner SPD-Parteitag stimmten achtzig Prozent der Delegierten für den Nachrüstungsbeschluß, also für die Aufstellung neuer atomarer Mittelstreckenraketen, und ich erklärte der Parteizentrale per Postkarte meinen Austritt aus der SPD. Wenn die Sozialdemokraten die Rüstungsspirale unbedingt noch weiter in die Höhe treiben wollten, dann bitteschön ohne mich.
In der Otto-Show erteilte Otto Waalkes Englischunterricht: »Hello, Mr. Filbinger – Heil Hitler, Herr Filbinger!«
Das geschah ihm recht, diesem miesen Marinerichter, der seinen Lebensunterhalt mit Todesurteilen für Deserteure bestritten hatte.
Hermann machte sich darüber lustig, daß ich aus der SPD ausgetreten war: »Du bist also auch so’n Ohnemichel! Einer, der sich aus allem raushalten will!«
»Nicht aus allem, sondern nur aus der Vorbereitung eines Atomkriegs.«
»Hoho! Und da hast du der Parteispitze ja einen deftigen Nasenstüber versetzt! Ich wette, die diskutieren jetzt schon nächtelang im Bonner Ollenhauerhaus darüber, wie sie dich dazu bewegen können, deine Austrittserklärung rückgängig zu machen ...«
Sauschwer zu finden war in Haselünne das St.-Ursula-Gymnasium, wo ein Woody-Allen-Film vorgeführt werden sollte. Ich hatte mich aufs Rad geschwungen und vergessen einen Stadtplan mitzunehmen.
»Die letzte Nacht des Boris Gruschenko« spielte 1812 in Rußland, und Woody Allen alias Boris Gruschenko suchte nach dem Sinn des Lebens, wollte aber auch Napoleon umlegen und tanzte nachher an der Seite des Sensenmanns durch die Natur.
Zwei Mark Eintritt hatte der Spaß mich gekostet. Und dann mußte ich noch die ganze Riesenstrecke bis Meppen zurück auf dem Fahrrad, bei arktischer Kälte.
Gefallen hatte mir die Bemerkung, daß der Tod nicht das Ende sei, sondern eine wirksame Möglichkeit, weniger Geld auszugeben.
In einem von Mamas Büchern fand ich ein Gedicht von Friedrich Nietzsche, das mir gefiel.
Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei’n –
Weh dem, der keine Heimat hat!
Aber hatte Nietzsche nicht auch diesen Quatsch vom blonden Übermenschen verzapft?
Weil in der Hölle kein Platz mehr war, kamen die Toten auf die Erde zurück, in dem Horrorfilm »Zombie«, der im Residenz lief. Die Zombies betätigten sich als Kannibalen und konnten nur durch brutalste Gewalt gestoppt werden. Einige noch nicht vertilgte Menschen verbarrikadierten sich in einem Supermarkt, wo sie aber, statt sich gegen die Zombies zu verbünden, dem Konsumrausch verfielen und sich auch noch gegenseitig terrorisierten.
In der Meppener Tagespost erschien die Schlagzeile:
Nato koppelt Nachrüstung mit Entspannungsoffensive
Anders ausgedrückt: Die Nato stellt Atomraketen auf und redet vom Frieden.
»Entspannungsoffensive«, das hörte sich so an, als ob die Nato-Staaten Moskau mit Friedenstaubeneiern bombardieren wollten.
Bescheuert war aber auch das Wort »koppelt«. (»Melde gehorsamst: Großes Herbstmanöver der Koppelung von Aufrüstung und Abrüstung gelungen, Mister President!« – »Well done, Herr Bundeskanzler!«)
Für Papa kaufte ich als Weihnachtsgeschenk ein Buch des Umweltschützers Herbert Gruhl: »Ein Planet wird geplündert«. Für die meisten anderen Verwandten rahmte ich die Abzüge von einem alten Hamsterfoto ein.
Am dritten Advent fuhr Mama nach Jever. »Stellt hier aber bitte das Haus nicht auf den Kopf, während ich weg bin«, hatte sie gesagt. »Und im Kühlschrank steht der Eintopf, den müßt ihr euch bloß warmmachen, der reicht für zwei Tage!«
Morgens und mittags, auf dem Schulweg und auf dem Nachhauseweg, fror man bis auf die Knochen, auch mit Mütze, Schal und Handschuhen an. Sonst beneidete ich Hermann ja nicht um die langen Fahrten nach Rütenbrock, aber ich hätte doch lieber ganz gemütlich in einem geheizten Schulbus gesessen als auf einem eisgekühlten Fahrradsattel.
Beim Frühstück klingelte das Telefon. Papa ging hin, und als er endlich wiederkehrte, mit finsterem Gesicht, war sein Kaffee kalt geworden.
»Das war Mama«, sagte Papa. »Opa Jever ist tot. Der ist heute nacht gestorben. Im Krankenhaus in Wilhelmshaven.«
Wiebke fing zu heulen an, und ich hatte
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