Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
die Stoptaste, und da erhob sich Rudolf Seiters von seinem Bürostuhl, kam zwei Schritte nach vorn, nahm eine lässige Sitzposition auf seinem Schreibtisch ein und sagte: »Eines können Sie mir glauben, meine Herren, ganz im Vertrauen – ich bin auch für Ernst Albrecht gewesen bei der Kandidatenwahl, schon weil er mir als Niedersachse nähersteht als jemand wie Strauß.« Es sei aber nun mal das Wesen der Demokratie, daß man sich dem Mehrheitswillen beugen müsse.
»Das ist Profi-Journalismus«, sagte Hermann, als wir in der Stadtschänke beisammensaßen. »Ich wette, so machen das auch Rudolf Augstein und Henri Nannen, wenn sie den Bundeskanzler interviewen wollen. Die vergessen erst den Wisch mit ihren Fragen, und dann lassen sie sich einseifen und rasieren wie zwei Schülerzeitungsredakteure.«
Aalglatt sei der Seiters gewesen. Eloquent und aalglatt. »Und was der jetzt wohl von uns denkt? Da kommen zwei kleine Kadetten wie wir und stehlen einem vielbeschäftigten Berufspolitiker die Zeit und bilden sich noch ein, sie würden ihn in die Tasche stecken!«
Den Pulitzer-Preis könnten wir uns abschminken.
Mit Wiebke und Danielle spielte ich im Eßzimmer Memory. Unterm Tisch stieß Danielle mich dann und wann mit dem Fuß an, und sie blinzelte mir zu.
Ich reagierte nicht darauf. Ich und eine von Wiebkes Austauschschülerinnen, das wäre nicht gegangen. Eine Mesalliance reinsten Wassers.
Durch das runde Klofenster hatte ich beim Pinkeln immer den Parkplatz vor Augen, auf dem Angela früher ihr Auto abgestellt hatte, wenn sie mich mit Udo besuchen gekommen war.
The carpet, too, is moving under you
And it’s all over now, Baby Blue.
In einer Disco namens Nightfever, die sie überhaupt noch nicht besuchen durften, waren Wiebke und Danielle bei einer Kontrolle erwischt worden. Mama mußte die beiden Delinquentinnen beim Jugendamt abholen, und dann gab sie ihnen sogar noch ein Eis aus.
Das Nightfever, der Rockpalast und das Barbarella bildeten das sogenannte Bermuda-Dreieck vor der Hubbrücke.
Am Montagmittag deckte Mama nur für vier Leute auf, denn Danielle war wieder abgereist ins Reich der Froschschenkelfresser. Für uns gab’s Fischstäbchen, Blumenkohl und Kartoffeln mit einer sämigen, versalzenen Soße.
In der aktuellen Spiegel -Titelgeschichte übers Fahrradfahren wurde Onkel Rudi erwähnt:
»Weil das Fahrrad bei Kurzstrecken schneller, gesünder und bequemer als jedes andere Verkehrsmittel ist«, fährt beispielsweise der Kaufmann Werner Schmidhuber aus München-Bogenhausen zu Rade ins Büro. Ebenso der hannoversche Anwalt und Präside der Rechtsanwaltskammer in Celle Rudolf Schlosser; wenn es das Wetter eben zuläßt, rollt er mit seinem Sportrad bei seiner Kanzlei oder auch schon mal bei Gericht vor.
Der Umstand, daß ich, der Neffe jenes Anwalts und Präsiden, jeden Morgen mit dem Rad zur Schule fuhr, auch bei säuischstem Regenwetter, war dem Nachrichtenmagazin keine Zeile wert gewesen.
ARD, 23 Uhr: »Garten der Lüste« (Regie: Carlos Saura). Mama und Wiebke hatten sich um halb elf in die Betten verzogen. Im Keller war Papa noch am Rumoren, und ich freute mich darauf, dieses Filmkunstereignis ganz allein zu genießen, aber dann pennte ich leider schon bei der Wettervorhersage ein und wachte erst beim Testbild wieder auf.
In der Stadtschänke heckten Hermann und ich einen guten Plan aus: Wir könnten jemanden aus der Mittelstufe hochprozentigen Alkohol kaufen lassen und die Quittungen in der Schülerzeitung abdrucken, als Belege für die Gesetzlosigkeit der Meppener Geschäftswelt.
Die fünfzehnjährige Christine Burjan kam uns dafür bei der nächsten Redaktionssitzung wie gerufen. Wir instruierten das Mädchen, welche Läden es aufsuchen solle, händigten ihm fünfzig Mark aus der Redaktionskasse aus und warteten gespannt auf das Ergebnis dieser Aktion.
Nach zwei Stunden kehrte Christine Burjan zurück, reich beladen mit Spirituosen. Käuflich erworben hatte sie jeweils eine Flasche Jägermeister im dem Getränke-Center und bei Ceka, eine Flasche Wodka bei Aldi, Rum aus dem Nordwest-Center und Whiskey von Kaisers.
Zur CDU halten und Kindern Schnapsikalien verkaufen, das konnten sie unter einen Hut bringen, die Ladeninhaber. Nur bei Comet und Coop hatte es nicht geklappt.
Beim Begräbnis des verstorbenen jugoslawischen Staats- und Parteichefs Tito marschierte in Belgrad die Elite der Weltpolitiker auf. Breschnjew, Thatcher, Schmidt und Arafat und wer nicht noch so alles.
»Wie die
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