Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
beglotzen. Da spielte Michael Landon einen zuckersüßen, schmalzlockigen Vater, der sich als Farmer für das Wohlergehen seiner ekelhaften Kleinfamilie aufrieb. So verdaddelte dieser Schauspieler den Weltruhm, den er als Little Joe in der Serie Bonanza auf der Ponderosa errungen hatte.
Traurig, sowas. Doch was sollte man dagegen tun?
Mama war geladen auf die Heinis in dem Fotoladen Mundus. Die Nummern der Negative standen alle rechts vom Bild, und die Negativstreifen waren so geschnitten, daß sie mit der Nummer des Negativs vom nächsten Streifen aufhörten. »Wer soll sich denn da noch auskennen! Aber wenn du diese Menschen fragst, was sie sich dabei gedacht haben, dann stieren sie dich an wie ’n Wesen von ’nem anderen Stern!«
Das grausigste Foto von allen, die Mama mitgebracht hatte, war das von mir mit Rucksack im Hausflur. Da sah ich so dreizehnjährig drauf aus, daß Gott erbarm, doch Mama kannte keine Gnade: Ungeachtet meiner Proteste klebte sie dieses Schreckensdokument in mein drittes Fotoalbum ein.
»Nun hab dich doch nicht so!«
Im Fernsehen kam jetzt ein Filmklassiker nach dem anderen. Auf »Red River« folgte »Fahrstuhl zum Schafott« und darauf »Die zwölf Geschworenen«, mit Henry Fonda, der in einem Mordprozeß als zwölfter und gewissenhaftester Geschworener die anderen elf von der Unschuld des Angeklagten überzeugen konnte. Äußerlich ähnelte der Angeklagte mit seinen Segelohren, seinen dunklen Augen und seiner Leidensmiene Franz Kafka. Umso schöner, daß er nachher freigesprochen wurde.
Nur ich selbst hatte immer noch mehr als ein Jahr in der Strafkolonie Meppen abzubüßen.
Wenn man sich darauf verlassen konnte, was im Stern stand, gab es unter bundesdeutschen Jugendlichen aus besserem Hause einen neuen Trend: Champagner trinken, Wert auf teure Anziehsachen legen und sich als »Popper« von den biertrinkenden, schlecht angezogenen »Prolos« abheben.
Und für solche Früchtchen ernteten die Proletarier in den Entwicklungsländern die Kaffeebohnen.
Bei dem gescheiterten Versuch der Amis, die in Teheran gefangengehaltenen Geiseln mit militärischen Mitteln zu befreien, war ein Hubschrauber mit einem Truppentransporter kollidiert, und acht amerikanische Soldaten hatten ihr Leben gelassen.
»Das werden die Wähler Jimmy Carter persönlich ankreiden«, sagte Hermann. »Der braucht gar nicht wieder anzutreten.«
Hermann redete des öfteren daher wie ein Mastermind aus einem amerikanischen Think-Tank, obwohl er nach wie vor in der Rütenbrocker Ziegeleistraße ansässig war.
Sechs milchige Fotos aus Florenz lagen einem Brief von Michael bei. Wie wir vor den Zelten kauerten und dann noch Aufnahmen vom Dom oder was das da sein sollte.
Hallo!
Da bin ich wieder. Und inzwischen hab ich auch wieder Schule. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.
Die Ausbeute an Bildern ist nicht überwältigend. Aber es hat sicher auch sein Gutes, daß nicht mehr von diesem Elend festgehalten worden ist. Du kannst Angela und Udo ja fragen, ob sie Abzüge haben wollen.
Angela und Udo? Die hätten sich bedankt.
Daß hier kaum was los war, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Bloß drei Tage war einige Aufregung: Da hat meine Schwester ihr Kind gekriegt. Natürlich nicht die ganzen drei Tage lang, aber die Aufregung dauerte so lange. Ein Mädchen ist’s, sieben Pfund und schwarze Haare und so weiter. Tjaja – die Zeit, sie eilt im Sauseschritt. Nu’ bin ich schon Onkel.
Für die Sommerferien krieg ich vielleicht ’n Job. Muß mich morgen mal da vorstellen. Die hätten schon was frei, aber die wollen sich die Leute anscheinend vorher ansehen. Vielleicht schick ich besser den Holger hin. Wenn die mich sehen, ist möglicherweise plötzlich doch nichts mehr frei.
Also, ich mach mal Schluß, damit Du die Fotos schnell bekommst.
Ciao Tschüß!
Die Fotos warf ich in den Papierkorb, ohne sie Mama zu zeigen. Die hätte sie sonst auch noch in mein Album geklebt.
In der neuen konkret stand, daß der Schriftsteller Walter Kempowski sich in seinem Haus aus Angst vor den Russen einen Fluchttunnel gegraben habe, mit Geheimausgang. Hatte offenbar ’n Sockenschuß, der Mann.
Am 28. April 1980 wurde ich volljährig. Jetzt durfte ich das Wahlrecht ausüben, in Pornofilme gehen, Schnaps kaufen und Hochzeit halten und bloß noch nicht Bundespräsident werden. Dafür mußte man laut Grundgesetz mindestens vierzig Jahre alt sein.
Mama und Papa schenkten mir das Versprechen, mir das Geld zu stiften, das ich brauchen
Weitere Kostenlose Bücher