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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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zwischen dir und mir so läuft, dann würde ihn das verletzen. Ist das für dich nachvollziehbar?«
    Nachvollziehbar schon.
    »Und deshalb hab ich mir gedacht, wir tun erstmal so, nach außen hin, als ob da nichts am Laufen wäre.«
    Apropos Laufen: Durch die gleichen Straßen waren kurz vor meiner Geburt die Beatles gelaufen. Die hatten ja in mehreren Tanzschuppen an der Reeperbahn gespielt.
    Auf der Rückfahrt hielten wir Händchen, heimlich, unter einer über unsere Beine gebreiteten Decke, so daß Heikes Eltern nichts davon sehen konnten.
    Im Dritten wurden Ausschnitte aus einer vierzig Jahre alten Wochenschau gezeigt. Der Führer, vom Jubel umbrandet, kurz nach dem siegreichen Frankreichfeldzug. Papa und ich sahen uns das an, und als Mama dazukam, sagte sie: »Ihr ollen Kriegsfanatiker!«
    Dabei saßen wir ganz friedlich auf dem Sofa, ohne einen Funken Fanatismus.
    Von Oma Jever hatte Mama gehört, daß der Dellbrügge, mit dem Tante Gisela zusammenwohnte, immer unausstehlicher werde. Der Dellbrügge, das war ein Mensch, von dem die Sage ging, daß er im Geld schwimme und für die Apartheid sei. An Tante Giselas Stelle hätte ich mich mit so jemandem gar nicht erst eingelassen.
    Der nächste Versuch war schon etwas ergiebiger. Doch was machte man, wenn man Schamhaare in den Hals kriegte und husten mußte und den Handlungsablauf trotzdem nicht unterbrechen wollte? Darauf war man in Sexualkunde nicht vorbereitet worden.
    Ab sofort ging ich jedenfalls nicht mehr als Unberührter durchs Leben.
    Am Montagnachmittag erschien Hermann Gerdes in der Redaktion der Schülerzeitung und hämmerte einen Artikel über das Emsland im Dritten Reich in die Schreibmaschine, mit allen möglichen Informationen über die Konzentrationslager in Neusustrum, Börgermoor und Esterwegen und einer ausführlichen Schilderung der Reichskristallnacht in Meppen: Gegen vier Uhr morgens hatte den Meppener SA -Standartenführer Ernst T. telefonisch der Befehl der Osnabrücker SA -Brigade 64 erreicht, die Synagogen des Standartenbereiches anzuzünden und alle männlichen Juden in »Schutzhaft« zu nehmen, und dann hatten die Meppener SA -Führer sich eine Kanne Benzin vom staatlichen Bauhof geholt und die Synagoge in Brand gesteckt. Das hatte Hermann aus einem Buch von Holger Lemmermann über die Geschichte der Juden in Meppen.
    Unterdessen hatten sich verschiedene Trupps von SA -Leuten bzw. Polizisten gebildet, die in den verschiedenen Bezirken der Stadt in die Häuser der Juden eindrangen, Fensterscheiben zerschlugen, Geschäftseinrichtungen und Hausrat zerstörten und männliche Juden jeden Alters sowie auch einige Frauen aufgriffen, sie völlig unzureichend bekleidet unter Beschimpfungen, Bedrohungen, Schlägen und Stößen teilweise zunächst zum Gerichtsgefängnis und dann zum Haus der SA -Standarte, teilweise direkt zu diesem Hause trieben. Dort mußten sie durch eine enge Gasse von SA -Männern, die auf sie einschlugen, in den Hausflur gehen, von wo sie mit einem Fußtritt die Kellertreppe hinuntergestoßen wurden. Im Keller mußten sie zum Teil über Glasscherben umherkriechen, Lieder singen und auf die Frage, was sie seien, entweder antworten: »Wir sind die Mörder vom Rath« oder »Wir sind Saujuden«. Dabei wurden sie mit Flaschen, Stöcken und Stangen teilweise blutig geschlagen. Als einer von ihnen trinken wollte, wurde sein Kopf so lange in einen Eimer mit Wasser gedrückt, bis er Wasser in die Lunge bekam. Die Mißhandlung wurde zwischendurch an einigen Juden im Hof fortgesetzt. U. a. wurden sie gezwungen, in einem Loch stehend »Üb immer Treu und Redlichkeit« zu singen …
    Hermann war auf hundertachtzig, als er das abtippte. Was das für Schweine gewesen seien, die ihren Mitmenschen so etwas angetan hätten. Und nicht etwa irgendwo im Orient, sondern hier, im schönen Emsland: »Hier, hier, hier!«
    Mama stellte mich zur Rede. Was denn das für ’ne Geschichte sei mit mir und diesem Mädchen da.
    »Wieso?«
    »Na, man wird ja wohl noch fragen dürfen! Als ich in deinem Alter war, da hätten meine Eltern mir schön was gehustet, wenn ich so mir nichts, dir nichts mit irgend ’nem Kerl nach Hamburg gefahren wäre! Rück doch mal raus mit der Sprache!«
    »Was willst du denn hören?«
    »Zum Beispiel, ob ihr euch darüber im klaren seid, daß so ein Zusammensein auch Folgen haben kann …«
    »Da gibt’s ja heutzutage Mittel und Wege«, sagte ich.
    Und Mama sagte: »Na, dein Gottvertrauen möchte ich haben!«
    Und das war das

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