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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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und die Kommißköppe, die da den Ton angeben. Holger wird Panzergrenadier. Das sind die Leute, die vor oder hinter den Panzern durch das Eingemachte rennen. Stoppelhopser, die sich mehr unterirdisch fortbewegen als über der Erde, wenn sie durch den Matsch robben. Außerdem müssen sie jedes Manöver mitmachen und werden auch nach der Grundausbildung weiter auf Trab gehalten. Also, ich mache alles, damit ich bloß nicht zum Bund muß. Übers Wochenende war Holger hier. Er erzählt die schlimmsten Dinge, wenn er mal nicht mit entsetzt stierem Blick dasitzt und schweigt.
    Davon abgesehen ist hier gar nichts los. Deswegen habe ich auch so lange nicht geschrieben. Ich dachte zwar, daß etwas zu berichten wäre, wenn ich mit der Arbeit angefangen habe, aber was kann man schon groß übers Tücherverpacken berichten? Sehr wenig. Außer daß einem die Beine vom langen Stehen wehtun und der Rücken vom dauernden Bücken. Nebenbei hat man durchgewetzte Fingerkuppen, weil die in Plastikfolie eingeschweißten Packen noch heiß sind. Der Kartonleim wirkt sich dann auch nicht eben schmerzlindernd aus. Der Kopf dröhnt einem von dem Krach überall, und man sieht, wenn man wieder zuhause ist, nichts als Tücher, Tücher, Tücher. Wie kann man das nur jahrelang ertragen?
    So, ich mach Schluß, damit Dein Brief bald kommt. Der wird mein Leben wenigstens wieder etwas ereignisreicher machen.
    Im Jugendzentrum in der Königstraße lief ein Film über zwei Anarchisten, an denen in den USA ein Justizmord begangen worden war. Sacco & Vanzetti. Ein langhaariger Typ namens Hoppy, der in die elfte Klasse ging, war hinterher total fertig. »Da darf man ja gar nicht drüber nachdenken, wenn man nicht durchdrehen will …«
    Über die Klassenjustiz in Amerika hatte ich mich schon längst keinen Illusionen mehr hingegeben.
    Heike hatte mich zum Kuchenessen eingeladen, und da saß ich dann mit ihr und ihren Eltern auf deren Terrasse und war am Kirschkuchenfuttern und Kaffeesaufen. Heikes Mutter hatte eine Fliegenpatsche parat und gab damit den Wespen Saures. Platsch! Auch mitten auf den eigenen Kuchenteller, so daß die Sahne nach allen Seiten spritzte. Nach einer dieser Attacken blieb eine Wespe am Tellerrand liegen, und Heikes Vater trennte ihr mit der Kuchengabel den Kopf ab.
    Und schon wieder kreisten drei Wespen über dem Terrassentisch und machten Miene, uns die Sahne wegzuspachteln.
    Der Kuchen sei ihr »zu wehrig«, sagte Heikes Mutter. Ins Hochdeutsche übersetzt: zu kalorienreich.
    Mit seiner roten Ente holte Henrik Heike und mich ab und brachte uns zu Mike’s Pub, wo wir uns bei drei Gläsern Erdbeerbier über Bob Dylan unterhielten. Der sei zum Christentum übergetreten und jetzt als Prediger unterwegs, sagte Henrik. »Trauriger Fall!«
    Ich mochte das gar nicht glauben.
    Heike brachte das Gespräch auf die Sommerferien. Ob wir da nicht zusammen verreisen wollten? Zu dritt? Nach Ameland? Das sei ’ne holländische Nordseeinsel.
    »Und was machen wir da?« fragte Henrik.
    »Fröhlichsein«, sagte Heike, und der Fall war geritzt.
    Als Henrik gegangen war, steckte Heike mir, daß es besser sei, wenn er auch im Urlaub nichts von unserer Beziehung mitkriege.
    Einen Knacks habe ihre Freundschaft mit Henrik bekommen, weil er einmal irgendwelche eingefangenen Spatzen in einen Sack gesteckt und mit dem Luftgewehr darauf geschossen habe.
    Im Wohnzimmer lag Mama mit einem Glas Sherry in der Hand auf dem Sofa. Der Fernseher war aus. Das Programm sei zu schlecht gewesen, sagte sie, und ich beging den Fehler, mich dazuzusetzen. Ein Wort gab das andere, und binnen kurzem landeten wir beim Krieg und bei Opa Jevers Verstrickung in die Verbrechen der Nationalsozialisten.
    Ihr Vater, sagte Mama, habe damals in die NSDAP eintreten müssen. »Sonst hätte er seinen Job verloren!«
    Aha. »Und was ist mit Bertolt Brecht? Der ist ins Exil gegangen!«
    »Du Witzbold! Dann geh du doch selbst mal ins Exil als Schullehrer mit fünf halbwüchsigen Töchtern an der Backe, und dann sprechen wir uns wieder! Was du dir so vorstellst! Womit hätte der denn bitteschön seine Familie ernähren sollen im Ausland? Du bildest dir anscheinend ein, daß mein Vater da mit Handkuß empfangen worden wäre, als Habenichts, und dann noch mit Kind und Kegel! Und daß man ihm ’n roten Teppich ausgerollt hätte! Da bist du aber ganz schön naiv, mein Lieber. Für die Engländer waren wir Deutsche doch der letzte Dreck in der Nazizeit und auch lange danach noch!« Das habe sie

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