Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
sagen, was das für welche waren. Eichen, Erlen, Ulmen, Buchen und Weiden, bei denen in der Krone Misteln wuchsen.
Mit dem Flitzebogen machte er Zielschießen, auch auf uns, und einmal traf er Volker mit dem Pfeil ins Ohr. Die Wunde blutete, und beim Nachhausegehen mußten wir Volker unterhaken. Kalli sagte, das sei nur eine Gehirnerschütterung, die lege sich von selbst.
Wenn bei der Carrerabahn die Leitplanke lose war, mußte man aufpassen, daß einem die Karre auf der Außenspur in der Steilkurve nicht in hohem Bogen rausflog. In der Innenspur schlug das Auto nur kurz aus. Wenn beim Ausschlagen zufällig das andere Auto obendrüber in der Außenspur fuhr, wurde es aus der Bahn torpediert, und wir versuchten immer, das hinzukriegen.
Überholmanöver und Karambolagen.
Mama pinnte den neuen Jahreskalender an die Küchenwand und trug alle Geburtstage ein, auch von Freundinnen und Verwandten, von denen kein Mensch wußte, wer die waren.
An Silvester gab es mittags Schnitzel. Volker und ich mußten uns eins teilen, und Papa säbelte es in zwei Teile. Wir wollten beide die größere Hälfte haben.
»Es gibt keine größere Hälfte«, sagte Mama. Das sei ein Ding der Unmöglichkeit.
Nach dem Essen rauchte Papa beim Kaffee im Wohnzimmer immer eine Zigarette. Diesmal lag am Aschenbecherrand schon eine bereit, in die Volker ein Knallplättchen aus Kallis Kiste hineinbugsiert hatte. Mama und ich waren eingeweiht.
Wir warteten und warfen uns verschwörerische Blicke zu, aber Papa las immer nur Zeitung und trank Kaffee und beachtete die Zigarette überhaupt nicht.
Volker schob den Aschenbecher dicht neben Papas Kaffeetasse.
Immer noch Fehlanzeige.
»Richard, deine Söhne wünschen sich nichts sehnlicher, als daß du diese Zigarette rauchst«, sagte Mama.
»So? Und warum?«
»Das wirst du dann schon sehen.«
Papa runzelte die Stirn. »Ist da irgendwelcher Mist drin?«
»Kann sein, kann aber auch nicht sein«, sagte Volker.
Jetzt hatte Papa den Braten natürlich gerochen, tat uns aber trotzdem den Gefallen, die Zigarette anzuzünden, die er dann weit von sich weghielt.
Nach einer Minute machte es leise poff. Vorne war die Zigarette auseinandergebröselt. Papa drückte sie im Aschenbecher aus und sagte, daß wir Kindsköpfe seien, Mama inbegriffen.
Weisnahmsnase durften Volker und ich bis zum Feuerwerk aufbleiben und um Mitternacht im Garten Schlangenhütchen anzünden.
Der Schnee lag jetzt fast einen halben Meter hoch, und alle gingen rodeln. Hinten im Wambachtal gab es einen Abhang, der so steil war, daß er die Todesbahn hieß. Wenn man Pech hatte, raste man beim Rodeln unten in einen Stacheldrahtzaun.
Nur die Mutigsten fuhren die Todesbahn auf dem Bauch liegend runter, mit dem Kopf voran, was ich auch mal versuchte, aber noch bevor ich in Schwung kam, verließ mich die Traute.
Absolute Scheiße war das Neujahrs-Skispringen im Fernsehen.
Nachmittags kam schon wieder ein Film mit Lassie. Da gehörte er einem Tierarzt und war wasserscheu, aber als der Tierarzt im Schnee in Ohnmacht fiel, schwamm Lassie durch einen frostigen Fluß, um Hilfe zu holen.
Flipper gehörte immer denselben Leuten, aber Lassie gehörte mal dem und mal dem. »Der muß ja ganz konfus werden«, sagte Renate.
Im Garten bauten wir eine Schneeburg, in der Mama uns fotografierte, bevor sie Volker auf die Horchheimer Höhe brachte. Der durfte am nächsten Morgen bei einer Treibjagd mitmachen. Auf den Spuren seltener Tiere.
Wenn ich alle Tiersprachen verstanden hätte, so wie Doktor Dolittle, hätte ich auch alleine auf Treibjagd gehen und ein Stoß-mich-Ziehdich einfangen können, mit einem Kopf vorne und einem hinten.
Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär mein Vater Millionär.
In Wiebkes neuem Bilderbuch quetschten sich nacheinander eine frierende Maus, ein Frosch, eine Eule, ein Kaninchen, ein Fuchs, ein Wolf, ein Wildschwein und ein Bär in einen Fausthandschuh, den ein Junge im Wald verloren hatte. Als dann noch eine kleine Grille hineintapste, platzte der Handschuh mit Donnergetöse auseinander.
Renate las das Buch von Hildegard Knef. Wie die Leute im Krieg von Panzern zu Matsch gefahren worden waren.
Von der Treibjagd brachte Volker in einer Plastiktüte einen Hasen mit.
Totenstarre und Leichengift.
Papa band den Hasen in der Waschküche an den Hinterläufen an die Leine, wetzte auf der Werkbank in der Garage das große Küchenmesser am nassen Schleifstein und schnitt dem Hasen die Gurgel auf. Das Blut kleckerte in die
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