Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
fertig für die Absendung per Eilpost, und als das erledigt war, prosteten Heike und ich uns mit einem Gebräu zu, das Asti Spumante hieß. Ein Geschenk von Steffi.
Von irgendwem geliehen hatte Heike sich ein querformatiges Buch mit dem abschreckenden Titel »›Weibliche‹ und ›männliche‹ Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse«. Darin konnte man anhand von Fotos die geschlechtsspezifischen Sitzhaltungen studieren: Männer breitbeinig und Frauen mit sittsam geschlossenen Knien. Legerer hingelagerte Frauen mußten sich dagegen von der Verfasserin Marianne Wex eine »Anbietposition« nachsagen lassen, die auch wieder nicht okay war.
Stanley Laurel wiederum wirkte gerade durch seine fraulichen Gebärden so komisch. Auch das schien Marianne Wex nicht in den Kram zu passen:
Auf exemplarische Weise stellen hier auch »Dick und Doof« in ihrer Körpersprache die Geschlechterrollen dar. Doof signalisiert seine »Doof«heit durch eine weibliche Haltung. Die Arme eng am Körper, die Hände auf dem Schoß zusammengelegt, die Knie aneinandergepreßt und die Fußspitzen nach innen gekehrt. Während Dick seine Überlegenheit, seinen Hohn und Spott durch eine breite »männliche« Haltung unterstreicht.
Zu der Behauptung, daß die Stan-und-Ollie-Filme frauenfeindlich seien, hätte Heike sich aber nicht verstiegen. Für die hatte sie schwer was übrig, so wie jeder klarsichtige Mensch.
Sonntags hatte man beim Bund um 23 Uhr im Bett zu liegen. Für seinen Patrouillengang ließ der UvD sich diesmal zwanzig Minuten länger Zeit, und als er sah, daß ich noch am Lesen war, schrie er mich an: »Was ist hier denn los? Um elf Uhr ist Zapfenstreich! Da gibt’s nix mehr für Sie! Nix lesen, nix reden, nix, gar nix, Augen zu, knacken, aus!«
Was die Bundeswehr am laufenden Meter produzierte, außer der bekannten Sicherheit für die Aktionäre der Rüstungsindustrie, war schlechte Laune.
Ich war zu einem gefragten Mann geworden. Kaum hatte morgens der Unterricht begonnen, hieß es: »Sanitätssoldat Schlosser sofort zum Geschäftszimmer!«
Hauptmann Focke wünschte sich mit mir zu unterhalten, weil er für den Prüfungsausschuß eine Beurteilung meines Charakters anfertigen mußte. Zu meinen Sermon über die Verweigerungsgründe meinte er dann aber nur, daß das doch alles, »weil im Grunde sentimentales Gerede über menschliche Schwächen«, nicht ausreichen werde.
Für die Nachwelt hielt ich die Inschriften vom Kantinenlokus fest:
120 Tage und dann jeden Tag auf die Alte
+ nach 3 Jahren impotent, du Arsch
Ich will nach Hause!
Ich auch!
noch 3 Tg ihr Rotärsche
noch 1460 ihr Rotärsche aber 1700 Gulden Wehrsold haha
In Budel, wo die Sonne lacht, werden aus Menschen Soldaten gemacht!
Budel ist Fuck
Noch 2 Tg BW ihr Heißkisten
Leonid Breschnjew weilte als Staatsgast in Bonn. Der war auch nicht mehr der Jüngste. Jahrgang 1906. Genau wie Oma Jever. Nur daß die nicht darauf aus war, im Obersten Sowjet die Peitsche zu schwingen.
In die Morgenstille schnitt am Dienstagmorgen ein heiseres Schreien: »Hände aus den Taschen! Das gilt für alle!«
Im Umkreis von einhundert Metern waren alle, die vom Frühstück kamen, zusammengezuckt. Den Oberfeldwebel, der da so laut geschrien hatte, sah man Atemwolken schnauben wie ein altes Schlachtroß und dann rechts schwenken und abmarschieren. In einem Comic hätte man ihm noch ’ne Grummelblase mit Blitzen, Äxten, Totenschädeln und gekreuzten Knochen obendrübermalen müssen.
Nach der Sportstunde führte Oberleutnant Wagner das Kommando. »Erster Zug vor der Sporthalle in Marschordnung antreten, Front gen Osten!«
Mit Humor geht alles besser.
Mein Sonderurlaub fing damit an, daß mich der Kraftfahrer vom Dienst im Jeep nach Eindhoven zum Bahnhof brachte. Als Kraftfahrer hatte man beim Bund wahrscheinlich noch einen der lauesten Jobs. Auf sich allein gestellt, in einem beruhigenden Sicherheitsabstand von jedem Exerzierplatz und dabei immer wohlversorgt mit Radio, Heizung, Aschenbecher und Gaspedal.
In Meppen lag ein Stapel Post für mich bereit, darunter auch ein Brief von Heike.
Lieber Martin, für die Verhandlung wünsche ich Dir so viel Glück, wie Sandkörner am Ameländer Strand rumliegen! Und wenn’s danebengeht, dann feiern wir beide trotzdem eine Sektfete in meinem gut geheizten Zimmer – so gut geheizt, daß wir uns ausziehen müssen.
Aber es geht ja nicht daneben, und Du wohnst bald in Bielefeld.
Ich habe Dich immer lieber …
So
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