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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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gefehlt hätte, um »Fischer« zu erwidern.
    Flipper beobachtete uns aufmerksam. Er sah nicht glücklich aus. Normalerweise liebt er Bauernhöfe und müsste eigentlich neugierig seine Nase überall reinstecken und den Propeller auf höchster Stufe kreisen lassen. Doch seine Ohren hingen herab, und sein Gesicht war lang. Flipper benahm sich merkwürdig.
    »Also Sie täten eine Wohnung suchen?«, fragte Herr Widmann
gedehnt und mit Pausen zwischen den Wörtern, als brauche er Zeit, um nachzudenken.
    »Ja.«
    »Und warum bei uns?«
    »Ich geh hier oft spazieren. Und da dachte ich, es wäre doch besser, gleich hier zu wohnen.«
    »Aus München?«, fragte er.
    Ich nickte.
    »Und was täten Sie sich vorstellen?«
    »Ja, hätten Sie denn was?«
    »Und wenn ich was hätte?«
    »Ja, dann hätte ich ein Glück«, sagte ich und wusste nicht, ob ich das wirklich meinte. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! So einfach konnte es nicht sein. Wohnungssuche war der Horror. Und niemand kam beim ersten Versuch unter. Außerdem wusste ich doch gar nicht, ob ich auf dem Land wohnen wollte! Und hier! Bei ihm! Nein, das würde ich bestimmt nicht wollen, aber Anschauen kostete nichts.
    »So, so, ein Glück«, wiederholte Herr Widmann und musterte mich in einer Art und Weise, die mich in der U-Bahn dazu motiviert hätte, mit dem Fahrer in Kontakt zu treten oder gleich selbst zu treten.
    »Aber …«, begann seine Frau.
    Eine kleine, unmerkliche Handbewegung, und sie verstummte. Ich staunte ob dieser Dressurleistung.
    »Also, vielleicht hätte ich ja was«, begann er erneut.
    Ich schwieg. In Bayern funktioniert die Kommunikation zuweilen wie in islamischen Ländern. Man sagt nicht das, was man möchte, das wäre unhöflich, man wartet einfach
ab. A bisserl was geht immer. Hoffentlich. Das bedeutet übersetzt Insallah.
    »Und er?«, wies Herr Widmann auf Flipper.
    »Der gehört zu mir.«
    »Will der mit einziehen?«
    »Freilich.«
    »Jagt der?«
    »Nein, Woidl, die Muschi hat er in Ruh lassn.« Flipper hatte es mal wieder geschafft. Er war dabei, eine Sondergenehmigung erteilt zu bekommen. Und dazu hätte er dem halben Dutzend Hühner und den drei Enten, die herausfordernd in Richtung seiner Flanken sprotzten, nicht so gelangweilt hinterhergähnen müssen.
    »Bellt der?«
    »Wenn jemand sich rumtreibt, der nichts da zu suchen hat.«
    »Mia ham auch einen Hund g’habt«, sagte Frau Widmann. Ihre Stimme klang dünn. »Bis vor einem halben Jahr. Den Rex«.
    »Ja, ja, der Rex«, wiederholte Herr Widmann, und obwohl er völlig emotionslos sprach, hob Flipper neugierig den Kopf.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Einen Rex gibt’s nur einmal.«
    »Einen Flipper auch.«
    »So, so, Flipper.«
    Flipper spitzte die Ohren, schien kurz nachzudenken, ob es einer zusätzlichen Eingabe bedurfte, und beschloss dann, dass sein Antrag unterschrieben und gestempelt an der Kasse zur Abholung bereitlag. Zahlen würde ich. Er rollte sich zusammen.

    »Und Kinder?«, fragte Frau Widmann. »Mag er Kinder? Mia ham oft Kinder da zum Reiten, da geht es rund.«
    »Nach Kindern ist er ganz verrückt. Die liebt er heiß und innig. In München gibt es einige Zwergerl, die mit ihm Gassi gehen«, übertrieb ich ein wenig, »Flipper bringt sie alle heil heim.«
    »Also einen Hund tät ich schon brauchen auf dem Hof«, dachte Herr Widmann laut, als wollte ich ihm Flipper verkaufen. Ich fand es unverschämt, dass er immer nur von sich redete, als würde er allein hier wohnen und auch die Pfannen schrubben.
    »Also haben Sie was?«, fragte ich.
    »Das Austragshäusl täte ich vermieten.«
    »Mia ham fast keine Landwirtschaft mehr und gar keine Kühe«, sagte Frau Widmann. »Schon seit drei Jahren nicht. Mia brauchen keinen Austrag nicht. Mia ham jetzt Ross. Sieben Stück. Platz wär für zehn. Große geräumige Boxen. Gute Pflege. Halbpension. Sie können immer raus, und drüben«, mit ausgestrecktem Arm wies sie Richtung Hügel, »gibt es einen Offenstall und Koppeln.«
    »Pferd hab ich keins«, sagte ich.
    Widmanns schwiegen.
    »Ist das Bedingung?«, fragte ich.
    »Es wär halt praktisch«, sagte sie und ließ langsam den Arm sinken.
    »Kann ja noch werden«, sagte ich.
    »Alles kann noch werden«, sagte er.
    »Das mit den Pferden ist besser als die Mutterkuhhaltung«, ergänzte sie, offensichtlich darum bemüht, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

    »Und leichter als der Biohof«, sagte er und schaute sie widerwillig an.
    »Auf jeden Fall lohnt es sich mehr als

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