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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Neuhausen und im Lehel – und ich hatte sogar einen Stellplatz für mein Auto, in einer Gegend, in der das einem Vierer im Lotto gleichkommt.
     
    Immerhin plagten mich nun selbst existenzielle Sorgen, und ich dachte viel weniger an den Toten. Genauso funktioniert die Sorte Psychologie, von der ich überzeugt bin: Handeln statt jammern. Bloß nichts aufblasen. Den Ball immer schön flach halten. Und wenn’s sein muss: Augen zu und durch. Irgendwo kommt ein Lichtlein her. Jeder Tunnel hat einmal ein Ende. Mir genügen Kalendersprüche völlig, um das Leben zu meistern. Ich brauche keine Tiefenpsychologie, Astrologie und anderen Kram. Ist doch logisch, dass man
sich schlecht fühlt, wenn man dauernd gefragt wird, wie es einem geht, weil man dann nämlich erst mal darüber nachdenkt, ob es einem eventuell schlecht geht, und das endet nur zu fünfzig Prozent in lebensbejahender Dankbarkeit und Demut. Ich frage Flipper auch nicht fünfmal hintereinander. Einmal reicht. Und manchmal ist es besser, selbst das ausfallen zu lassen und sich auf das zu konzentrieren, was ansteht. Die Zeit in dieser Wohnung war vorüber. Ich war hierhergezogen, weil mein Exfreund in meiner damaligen Wohnung, in meinem Bett seine Sympathie für meine Exbestefreundin entdeckt hatte. Meine Exbestefreundin war, das verhehle ich nicht, der schlimmere Verlust. Ich kannte sie seit der zehnten Klasse, hatte mit ihr Sport studiert, war mit ihr in eine WG gezogen, und ein Auto hatten wir uns auch geteilt. Abgehakt kannte ich erst drei Jahre. Am meisten ärgerte ich mich darüber, dass ich so schmerzhaft unter seinem Verlust litt, obwohl ich wusste, dass er meinen Kummer nicht wert war, zumal ich herausfand, dass er und meine Exbestefreundin schon wochenlang ein Doppelleben in meinem Doppelbett führten. Ich zog aus und kündigte meine Stelle als Sportlehrerin. Ich machte Trainerinnenscheine im Akkord. Und dann kam Flipper – zwei Wochen vor meiner Abschlussprüfung zur Yogalehrerin. Mit Flipper ging es aufwärts. Flipper war meine Oma auf vier Beinen. Und es würde weiter aufwärtsgehen. »Wir finden eine neue schöne Wohnung, Flipper«, versprach ich ihm. »Und eine neue schöne Luna und eine Mira, eine Blacky und Socke, okay?«
    Tock, tock, tock, klopfte seine Rute.

5
    Am Sonntagmittag verschmähte Flipper Buche und Eiche, oder ich hatte nicht richtig aufgepasst, weil wir Frau Haimerl mit ihrem Rehpinscherrüden Monster trafen, den es regelmäßig rasend machte, dass Flipper ihn nicht ernstnahm und sich einfach trollte, was Frau Haimerl als Flucht interpretierte. Wir wechselten die üblichen Sätze, die man beim Gassi so sagt: Schöner Tag, schönes Wetter, Monster hat gestern Durchfall gehabt, da muss irgendwas rumliegen, passen Sie gut auf; danke für den Tipp … Ein Hubschrauber landete auf der Corneliusbrücke. Nein, es war ein Motorrad. Mit Maschinengewehrsalven schoss es Richtung Mariahilfplatz.
    »Da wird wohl demnächst eine Wohnung frei«, grinste Frau Haimerl.
    Ich sackte zusammen. Schwer getroffen.
    »Frau Fischer?«, fragte Frau Haimerl.
    »Ja, ja, ja!«, rief ich, steckte meinen kleinen linken Finger in den Mund und ließ den gellendsten Pfiff meines Vier-Finger-Repertoires erklingen. Wie eine Rakete kam Flipper angeschossen. Monster jaulte entsetzt auf. Frau Haimerl riss ihren Pinscher hoch. »Ich hab die Milch auf dem Herd vergessen! «, rief ich im Laufen, »einen schönen Sonntag noch!«
    Ich bog in den Bereiteranger ab, wo Frau Haimerl uns nicht sehen konnte und umarmte Flipper innig. »Jetzt weiß
ich, warum wir den Toten gefunden haben! Alles hat einen Sinn! Flipper! Wir sollten darüber nachdenken, ob wir nicht vielleicht lieber auf dem Land wohnen wollen! Das ist ein Zeichen, Flipper! Wir hören uns mal dort draußen um. Vielleicht ist es dort einfacher, eine neue Bleibe zu finden als hier in der Stadt!«
    Er leckte sich verlegen übers Maul. Überführt , dachte ich.
    Ich bin überzeugt davon, dass er mir seine Wünsche, Gedanken, Absichten implementiert, besonders, wenn ich schlafe. Ich glaube, im Schlaf sind die Hunde die Chefs. In Wirklichkeit entscheiden sie über unser Leben. Wir sind bloß Marionetten und führen das aus, was wir nachts eingeimpft bekommen. Wäre doch eine gute Idee, heute Herrn Peipe zu besuchen (dort gibt es Wiener Würstchen). Ach, man könnte doch mal wieder die große Runde drehen (und Luna treffen, die ist jetzt wahrscheinlich heiß auf mich). Ich habe schon oft gelesen, dass Menschen, die

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