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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Flipper stupste ihn an wie eine Beute. Lust auf ein Spielchen? , sah ich ihn fragen.
    »Entschuldigung!«, brachte ich endlich heraus. »Ich wollte dich nicht erschrecken! Der Hund tut nichts!« O, wie hasste ich diesen Ausspruch. Der Junge enthob mich der Fortsetzung des Satzes, der da lautet: Er will nur spielen , und rollte sich über die Seite zum Sitzen: »Wie heißt er?«
    »Flipper.«
    »Aber Flipper ist ein Delfin.«
    »Ja, auch.«
    »Und warum heißt er dann Flipper, wenn er kein Fisch ist?«
    »Er schwimmt sehr gut«, sagte ich.
    »Ich auch«, sagte der Junge.
    »Und wenn er ins Wasser springt, dann taucht er in Bögen auf und ab, wie Flipper eben«, versuchte ich den Namen zu rechtfertigen, der damit wenig zu tun hatte, aber das weiß fast niemand.
    »Der See ist da drüben«, sagte der Junge zögernd, »wenn
ihr euch hier nicht auskennt, kann ich euch den Weg zeigen. «
    Ich wunderte mich, dass ich entspannt mit einem Knirps im Gras plauderte, obwohl ich eine Leiche im Nacken hatte. Es war doch ein Traum. Gleich würde ich aufwachen. Ich würde frühstücken. Keine Butterbreze. Und dann würden wir in der Stadt bleiben. Wir würden München heute nicht verlassen. Morgen auch nicht. Die ganze Woche nicht. Wozu auch? In München konnten wir wunderschöne Spaziergänge unternehmen. Ich wohnte direkt an der Isar und da beginnen die Auen, wir konnten stundenlang den Fluss entlangstromern, aufwärts oder abwärts, wieso die Umwelt belasten und mit dem Auto fahren.
    »Ich heiße Simon«, sagte der Junge.
    »Franza«, sagte ich.
    Flipper wedelte auffordernd.
    »Ja, und das ist wie gesagt Flipper«, sagte ich noch einmal.
    Flipper setzte sich. Der Junge stand auf. Flipper reichte ihm bis zum Bauchnabel.
    »Ich hab auch einen Hund«, sagte Simon.
    »Schön«, sagte ich.
    »Ja, gell. Ich habe früher sogar drei Hunde auf einmal gehabt.«
    »Sag mal, Simon, weißt du, ob es hier irgendwo Handyempfang gibt?«
    »Ich krieg ein Handy zum Geburtstag.«
    Interessant – und absolut logisch. Ohne Handy kein Empfang. »Würdest du mir einen Gefallen tun?«, fragte ich den Blondschopf.
    »Was denn?«

    Es gefiel mir, dass er nicht gleich ja sagte.
    »Da vorne ist was Schlimmes passiert. Ich möchte nicht, dass du weiterradelst. Ich muss die Polizei rufen. Du sollst hierbleiben.«
    »Was?«, fragte Simon und wurde schlagartig knallrot.
    »Flipper, weg!«, befahl ich seine Nase aus dem Schritt des Jungen.
    »Was ist passiert?«
    »Das weiß ich nicht, also …, ich meine …«, ratsuchend schaute ich zu Flipper. Eine Leiche war passiert, und der Junge sollte so was nicht sehen, niemals! Er war doch nicht in Gefahr? Wenn der Mann nun nicht vom Hochsitz gefallen war …, vielleicht steckte ein Messer in seinem Rücken oder eine Kugel…
    »Darf Flipper auf dich aufpassen?«, fragte ich.
    »Was ist denn jetzt?«, quengelte Simon.
    Ich erinnerte mich an meine Kindheit und den verhassten Spruch: Dazu bist du noch zu klein. Bestimmt hatte ich mir irgendwann geschworen, diesen Satz niemals gegen ein Kind zu verwenden.
    »Wo sind wir hier überhaupt?«, fragte ich.
    »Da ist der Starnberger See«, sagte Simon und zeigte nach links. »Und da«, er zeigte nach rechts »wohne ich.«
    »Und wie heißt das hier?«
    »Das ist der Weg zum See.«
    »Wie heißt der Ort, wo du wohnst?«
    »Daheim.« Simon grinste und fügte »Wampertskirchen« hinzu. Einen Moment lang vermutete ich, er wolle mich auf den Arm nehmen, doch es klang so geläufig, dass es wohl stimmte.

    »Also sind wir jetzt zwischen Wampertskirchen und dem See?«, versicherte ich mich.
    »Hast du dich verlaufen?«
    »Nein.«
    Simon ließ nicht locker. »Und was ist jetzt passiert?«
    Ausnahmsweise hatte ich keine Kapazitäten frei, mir Geschichten auszudenken. »Da liegt ein Toter«, sagte ich.
    Simon riss die Augen auf.
    »Also er ist schon ziemlich tot«, versuchte ich ihn zu beruhigen.
    »Aber das weiß man nie!«, rief er.
    Ein John-Sinclair-Fan , erkannte ich. So eine Phase hatte ich vor der Pubertät auch mal.
    Ich klopfte auf meinen Rucksack. »Hab geweihte Silberkugeln im Gepäck«, log ich mir die unverzichtbare Grundausstattung einer mit allen Weihwassern gewaschenen Geisterjägerin herbei.
    »Puh!«, machte Simon.
    »Und außerdem ist Flipper bei dir. Ich lasse auch meinen Rucksack da.«
    Simon zog die Stirn in Falten. Seltsam sah das aus. So als würde er erwachsen spielen und auch als wüsste er schon ein bisschen, wie sich das Erwachsensein anfühlt – und das

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