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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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gefiel mir gar nicht. Flipper auch nicht. Er stupste den Jungen mit seiner kaltnassen Schnauze in die Kniekehle. Simon sprang zur Seite. »Das kitzelt!«
    »Ich rufe die Polizei, und du bleibst mit Flipper hier und rührst dich keinen Millimeter von der Stelle. Am liebsten wäre es mir, ihr würdet euch da drüben im Gebüsch verstecken«, ich wies nach links, »und in Deckung bleiben!«

    Simon schaute mich skeptisch an.
    Auch Flipper war wenig begeistert. Er zog die Stirn in Falten. Ich allein wäre kaum auf die Idee gekommen, dass Simon meinen Rucksack durchsuchen könnte. Meine Glaubwürdigkeit stand auf dem Spiel. Flipper setzte sich am besten auf die Devotionalien, was er ohne Anweisung ausführte.
    »Ob du wohl hierbleiben und auf Flipper aufpassen könntest? «, formulierte ich eine Bitte.
    Die beiden tauschten einen Blick und nickten dann. Simon legte den Arm um Flipper. Flipper schleckte ihm über die Hand. Im Hundehimmel seufzte Lassie glücklich.
     
    »Bin gleich zurück!«, rief ich und rannte los, Flipper bellte, ich wendete mich nach links, Flipper bellte wieder, ich lief nach rechts, den Blick auf das Handy. Während ich den Feldweg entlangraste, überlegte ich, ob ich den Jungen hätte mitnehmen sollen. Das fiel mir ein bisschen spät ein. Ich war nicht an Kinder gewöhnt. Flipper würde das schon schaukeln. Dann überlegte ich, was ich der Polizei sagen sollte. Ich musste meinen Namen sagen, wobei der nichts zur Sache tat, aber mein Name tut nichts zur Sache klänge verdächtig. Ich musste angeben, wo ich mich befand – Wampertskirchen? Irgendwo in der Nähe des Starnberger Sees, wahrscheinlich zwischen Berg, wo der König ertrunken ist oder wurde, und Münsing. In Etappen wollte ich bis zum Herbst das Ostufer erkunden. Im nächsten Sommer dann das Westufer. Der Starnberger See ist rund zwanzig Kilometer lang. Es gibt viel zu entdecken, hatte ich gedacht, als ich noch Lust auf Abenteuer hatte, weil ich nicht ahnte, welche Aggregatszustände Butterbrezen annehmen können.
Die schöne Gegend hatte ich auskundschaften wollen. Wenn Flipper beim allmorgendlichen Gassigehen an der Buche anstatt der Eiche markierte, hieß das Landpartie. Darauf hatten wir uns nach zähen Verhandlungen geeinigt. Ich hätte es andersherum besser gefunden. Eiche Umland und Buche Stadt. Das klang für mich logisch. Buche wie Buch lesen und zwar zu Hause. Aber Flipper liest ja nicht. Also nicht in Büchern, nur an Buchen. Heute Morgen hatte Flipper eindeutig entschieden. Manchmal ist er ein wenig unentschlossen. Heute nicht. Heute hatte er genau gewusst, wohin er wollte. Zum Hochsitz. Ich konnte nichts, aber auch gar nichts dafür.
     
    »Ich kann nichts dafür, dass ich das gefunden habe«, gab ich dann auch Auskunft, ohne zu wissen, wie ich das genau bezeichnen sollte. Die Leiche? Den Mann? Das Opfer? Den mit dem T-Shirt? Oder hieß er der Verunglückte, der Verunfallte, der Gestürzte … der Ermordete ? Ich wollte mich nicht bloßstellen. Ich wollte der Polizei auch keine Arbeit abnehmen. Ich wollte einfach keine Fehler machen. Ich war neu hier. Flipper war mein erster Hund. Ich hatte noch keine Erfahrung mit Leichen in Wäldern, auf Wiesen und Feldern. Ich wusste nicht, dass eine Leiche ihr Geschlecht verlor und es kaum zu erkennen war, ob Mann oder Frau, und woher diese bräunlichen Riesenblasen an der Haut kamen, die ich ganz bestimmt nicht aufstechen wollte. Ich wusste nicht, dass Leben so endet und gleichzeitig neu beginnt. Ich wusste ja nicht mal genau, wo ich mich befand, und wunderte mich, dass die anderen, von denen sich inzwischen immer mehr im Wald, auf dem Feldweg und in der Wiese tummelten,
uns so schnell gefunden hatten. Vielleicht hatten sie mein Handy geortet, ich traute ihnen alles zu, schließlich kuckte ich im Fernsehen öfter mal Krimis, es bleibt einem ja kaum eine Wahl, auf allen Sendern rund um die Uhr Mordfälle. Die Polizeiinspektion Starnberg hatte mich zurückgerufen, als ich endlich ein Netz hatte, und länger mit mir gesprochen. Ich könnte mich durch Schreien und Winken bemerkbar machen, hatte mir ein Mann am Telefon geraten, der ständig meinen Namen wiederholte, was mich noch nervöser machte, »Frau Fischer, Sie können auch laut rufen, dann hören wir Sie.« Ich fand das genauso peinlich wie die Alternative »Frau Fischer, Sie können auch winken, vielleicht gehen Sie einfach zu der nächsten größeren Straße, Frau Fischer, wir picken Sie dort auf, Frau Fischer, bleiben Sie ganz ruhig,

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