Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
und eines Cäsar mit der Autorität Petri zu tun?» Es ist zwar wahr, dass Julius II. selbst den Vergleich seiner Person mit Cäsar nicht förderte, aber er blieb ein gern gebrauchter Topos in den Lobreden seiner Höflinge, die ihre Schmeicheleien mit dem hochtönenden Hinweis auf antike Ähnlichkeiten würzten. Erasmus’ Kritik traf aber dennoch einen entscheidenden Punkt, die Tatsache, dass der Papst oft und gerne Kriege führte.
Erasmus verließ Rom schon im Juli 1509 wieder und kehrte nie mehr in die ewige Stadt zurück. Aber die vier Monate, die er hier verbrachte, genügten ihm, um sich ein zutreffendes, genaues Bild von der Persönlichkeit des herrschenden Papstes zu machen. Er informierte sich auch später noch über ihn, wie einige Briefe aus England zeigen, wohin er kurz darauf zurückkehrte. In einem bat er einen Freund um Nachrichten vom Papst, er wollte wissen, ob Julius II. immer noch die Rolle des Julius Cäsar spiele. Neben seinen Korrespondenten auf dem Kontinent versorgten ihn auch zwei in England weilende Italiener mit Nachrichten, der aus Lucca stammende Andrea Ammonio, Sekretär am königlichen Hof, und der Agent der Republik Venedig, Pietro Carmeliano, die beide über die politischen und militärischen Ereignisse in Italien bestens unterrichtet waren. Auf der Basis seiner eigenen römischen Erfahrungen und der später gesammelten Nachrichten verfasste Erasmus zwei Schriften über Papst Julius II., und zwar in Latein, der Sprache, die er wie kein anderer beherrschte. Es handelt sich um den Dialog Julius exclusus e coelis , geschrieben 1513 in Cambridge und anonym 1517 publiziert, und die kurz darauf entstandene, mit dem Dialog eng verbundene Schrift Sileni Alcibiadis . Ausgehend von einem antiken Sprichwort, entwickelt sich diese zu einer kleinen politischen Abhandlung. Sie wurde 1515 in Basel von Johannes Froben in einer neuen Ausgabe der Adagia veröffentlicht. Julius II. starb am 20. Februar 1513, im selben Jahr, in dem Erasmus seinen Dialog schrieb. Hierin stellt er sich vor, wie die Seele des verstorbenen Papstes vor den Pforten des Paradieses erscheint. Diese aber sind versperrt und werden vom Pförtner, dem heiligen Petrus, bewacht, der die Seele einem strikten Verhör unterzieht. Julius II. tritt hier im glänzenden päpstlichen Ornat auf, angetan mit der Tiara und in reich mit Gemmen, Edelsteinen und dem goldenen Eichenwappen der Della Rovere verzierte Gewänder gehüllt, im gleichen Prunk also, in dem er 1506 in das unterworfene Bologna eingezogen war, was Erasmus nie vergessen hatte. Der Dialog hebt mit einer Reihe von heftigen Vorwürfen an, aufgrund derer Sankt Peter der Seele den Eingang ins Paradies verwehrt. Diese Vorhaltungen enthalten all das, was dem Papst bereits zu Lebzeiten in den zehn Jahren seines Pontifikats von seinen Gegnern vorgeworfen worden war: Plebejische Herkunft, Korruption, schamlose Simonie, seine sexuellen Praktiken, die Konkubine samt seiner Tochter, Sodomie, Trunkenheit, die sich im Verkehr mit den Kurtisanen zugezogene Syphilis, der völlige Mangel an Glauben. Das meiste davon ist auch hinreichend bewiesen, Zweifel sind nur bezüglich der Sodomie, d.h. der Homosexualität, angebracht, die er, wenn überhaupt, nur während der Kardinalszeit praktiziert haben mag. Der heilige Petrus nimmt jedoch keine Entschuldigung entgegen, sondern schleudert unerbittlich Julius seine Laster ins Gesicht: Er sei «notorisch niederträchtig, ein Trinker, Mörder, Simonist, Giftmischer, Eidbrecher, Dieb, von Kopf bis Fuß verseucht mit monströsen Lastern, ohne auch nur die geringste Scham zu empfinden». Doch der heikelste Aspekt dieser Verderbtheit war für Erasmus politischer Art: Der Stellvertreter Christi auf Erden musste seiner Vorstellung nach mit der Heiligen Schrift in der Hand ein fester, zuverlässiger Führer der Gläubigen sein und sich nicht um die Aufgaben eines Staatsoberhauptes kümmern. Es ist ein Urteil, gegen das kein Einspruch möglich ist: Einem Papst, der Krieg führt, kann nicht verziehen werden, weshalb der heilige Petrus sich, was diesen Punkt betrifft, zu einer besonders heftigen Invektive hinreißen lässt: «Bis jetzt habe ich nur von den Taten nicht eines Oberhaupts der Kirche, sondern eines weltlichen Fürsten gehört, nicht nur eines weltlichen, sondern auch eines heidnischen, eines Fürsten, der noch verwerflicher ist als die Heiden! Du rühmst dich damit, Verträge gebrochen, Kriege angezettelt und Metzeleien angerichtet zu haben. Das
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