Alle Weihnachtserzählungen
offenen Türen in viele Zimmer sahen, fanden sie sie dürftig eingerichtet, kalt und öde. Es lag ein Geruch nach Erde in der Luft und eine frostige Schmucklosigkeit über diesem Ort, wodurch sich irgendwie der Gedanke an zeitiges Aufstehen bei Kerzenlicht und zuwenig Essen aufdrängte.
Der Geist und Scrooge schritten durch die Diele auf eine Tür an der Rückseite des Hauses zu. Sie öffnete sich vor ihnen und zeigte einen langen, kahlen und trübseligen Raum, der durch Reihen von Holzbänken und -tischen noch kahler wirkte. An dem einen saß ein verlassener Junge vor einem schwachen Feuer und las. Scrooge setzte sich auf eine Bank und weinte, als er sein armes, vergessenes Ich sah, das er meistens gewesen war.
Es gab kein verhaltenes Echo im Haus, kein Pfeifen und Scharren der Mäuse hinter der Holztäfelung, kein Tropfen aus der halbgetauten Dachrinne hinten im düsteren Garten, kein Seufzen in den entlaubten Zweigen einer verzagten Pappel, kein träges Hinundherschwingen der Tür eines leeren Speichers, nein, nicht einmal das Knistern des Feuers, das besänftigend auf Scrooges Herz gewirkt und seinen Tränen einen freieren Lauf gelassen hätte.
Der Geist berührte seinen Arm und zeigte auf sein jüngeres Ich, das ins Lesen vertieft war. Plötzlich stand ein Mann in fremdländischem Gewand – wunderbar natürlich und deutlich zu sehen – draußen vor dem Fenster. Er trug eine Axt in seinem Gürtel und führte einen mit Holz beladenen Esel am Zaum.
„Oh, das ist Ali Baba!“ rief Scrooge aufgeregt. „Das ist der liebe, alte, ehrliche Ali Baba! Ja, ja, ich weiß. Zu einem Weihnachten, als dieses einsame Kind hier ganz allein gesessen hatte, kam er zum erstenmal hierher, genau wie jetzt. Armer Junge! Und Valentine“, sagte Scrooge, „und sein stürmischer Bruder Orson, da gehen sie! Und wie hieß denn der, der schlafend in Unterhosen vor das Tor von Damaskus gelegt wurde; sehen Sie ihn nicht? Und der Diener des Sultans, der von den Dämonen auf den Kopf gestellt wurde; dort steht er noch so da! Geschieht ihm recht. Ich bin froh darüber. Was hatte er sich auch in die Prinzessin zu verlieben!“
Zu hören, wie Scrooge mit der ganzen Ernsthaftigkeit seines Wesens und einer höchst ungewöhnlichen Stimme, die zwischen Lachen und Weinen schwankte, über diese Dinge sprach, und sein übertriebenes und erregtes Gesicht zu sehen wäre für seine Geschäftsfreunde in der Stadt gewiß eine Überraschung gewesen.
„Da ist der Papagei!“ schrie Scrooge. „Mit grünem Körper und gelbem Schwanz und etwas auf dem Kopf, das wie eine Salatstaude aussieht. Dort ist er! ‚Armer Robinson Crusoe‘, rief er ihm zu, als dieser nach der Umseglung der Insel nach Hause kam. ‚Armer Robinson Crusoe, wo bist du gewesen, Robinson Crusoe?‘ Der Mann glaubte zu träumen, er träumte aber nicht. Es war der Papagei, verstehen Sie? Dort geht auch Freitag. Er läuft um sein Leben zu der kleinen Bucht hin. Hallo, he!“
Dann wechselte er mit einer Geschwindigkeit, die seinem sonstigen Charakter fremd war, den Gegenstand und sagte mitleidig zu seinem früheren Ich: „Armer Junge!“ und weinte wieder.
„Ich wünschte …“, murmelte Scrooge, wobei er die Hand in die Hosentasche steckte und um sich blickte, nachdem er sich die Augen am Ärmelaufschlag getrocknet hatte, „aber nun ist es zu spät.“
„Was ist denn?“ fragte der Geist.
„Ach, nichts“, sagte Scrooge. „Nichts. Gestern abend sang ein Junge ein Weihnachtslied vor meiner Tür. Ich hätte ihm etwas geben sollen. Das ist alles.“
Der Geist lächelte nachdenklich und machte eine Handbewegung, als wollte er sagen: „Wir wollen uns nun ein anderes Weihnachtsfest ansehen!“
Bei diesen Worten wuchs Scrooges früheres Ich, und der Raum wurde dunkler und schmutziger. Die Täfelung schrumpfte, die Fensterscheiben zerbrachen, Putzflatschen fielen von der Decke herab, und die nackten Balken waren zu sehen. Aber wie dies alles geschah, wußte Scrooge ebensowenig wie Sie. Er wußte nur, daß es stimmte, daß sich alles genauso zugetragen hatte und daß er wieder allein dort war, während all die anderen Jungen zu fröhlichen Weihnachten nach Hause gegangen waren.
Er las jetzt nicht, sondern ging verzweifelt auf und ab. Scrooge sah den Geist an und starrte, traurig den Kopf schüttelnd, gespannt zur Tür.
Sie öffnete sich, und ein kleines Mädchen, viel jünger als der Junge, kam hereingestürzt, schlang die Arme um seinen Hals, küßte ihn immer wieder und nannte
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