Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Ausdruck, konnte sich aber des Gedankens nicht erwehren, daß eine ungestörte Nachtruhe diesem Zweck dienlicher gewesen wäre. Der Geist muß seine Gedanken gelesen haben, denn er sagte sofort: „Dann eben deine Besserung. Gib acht!“
    Er streckte, als er das sagte, seine starke Hand aus und packte ihn leicht am Arm.
    „Steh auf und komm mit!“
    Es hätte Scrooge nichts genutzt einzuwenden, daß das Wetter und der Zeitpunkt nicht zu einem Spaziergang geeignet seien, daß das Bett warm und das Thermometer weit unter dem Gefrierpunkt war, daß er mit Pantoffeln, Schlafrock und Nachtmütze nur leicht bekleidet war und daß er gerade eine Erkältung hatte. Obwohl der Griff sanft wie eine Frauenhand war, konnte man sich ihm nicht entziehen. Er erhob sich, doch als er merkte, daß der Geist dem Fenster zustrebte, klammerte er sich an dessen Gewand.
    „Ich bin ein Mensch“, protestierte Scrooge, „und kann fallen.“
    „Dulde hier nur eine Berührung durch meine Hand“, sagte der Geist und legte sie ihm aufs Herz, „und du wirst mehr als nur in dieser Hinsicht gestützt werden!“
    Während diese Worte gesprochen wurden, durchschritten sie die Wand und standen auf einer offenen Landstraße mit Feldern zu beiden Seiten. Die Stadt war völlig verschwunden. Keine Spur war mehr zu sehen. Die Dunkelheit und der Nebel waren gleichzeitig gewichen, denn es war ein klarer, kalter Wintertag, und Schnee bedeckte den Boden.
    „Großer Gott!“ sagte Scrooge und faltete die Hände, als er um sich blickte. „An diesem Ort bin ich aufgewachsen. Hier war ich als Junge.“
    Der Geist schaute ihn freundlich an. Seine sanfte Berührung, obwohl sie nur leicht und kurz gewesen, war dem alten Mann noch immer gegenwärtig. Er nahm tausend Düfte in der Luft wahr, und jeder war mit tausend längst vergessenen Gedanken und Hoffnungen, Freuden und Sorgen verknüpft!
    „Deine Lippen beben“, sagte der Geist. „Und was ist das auf deiner Wange?“
    Scrooge murmelte mit einem ungewöhnlichen Zaudern in der Stimme, daß es ein Pickel sei, und bat den Geist, ihn zu führen, wohin er wolle.
    „Erinnerst du dich an den Weg?“ fragte der Geist.
    „Und ob ich mich erinnere!“ rief Scrooge leidenschaftlich aus. „Ich könnte ihn mit geschlossenen Augen gehen.“
    „Seltsam, daß du ihn so viele Jahre vergessen hattest!“ bemerkte der Geist. „Gehen wir weiter.“
    Sie liefen die Straße entlang. Scrooge erkannte jedes Tor, jeden Pfahl und jeden Baum wieder. Schließlich tauchte in der Ferne ein kleiner Marktflecken mit seiner Brücke, seiner Kirche und dem sich schlängelnden Fluß auf. Dann sahen sie ein paar zottige Ponys auf sich zutraben, auf deren Rücken Jungen saßen, die anderen Jungen in zweirädrigen, von Farmern gelenkten Einspännern etwas zuriefen. All diese Burschen waren in bester Stimmung und jauchzten einander zu, bis die weiten Felder von dieser fröhlichen Musik erfüllt waren, daß die frische Luft darüber zu lachen schien.
    „Das sind nur die Schatten einstiger Dinge“, sagte der Geist. „Sie sind sich unserer Anwesenheit nicht bewußt.“ Die lustige Gesellschaft kam näher, und als sie heran war, kannte Scrooge jeden einzelnen und nannte ihn mit Namen. Wie unbändig freute er sich, sie zu sehen! Wie leuchteten seine kalten Augen und wie hüpfte sein Herz, als sie vorüberzogen! Wie wurde er mit Glück erfüllt, als er hörte, daß sie sich frohe Weihnachten wünschten, ehe sie sich an den Straßenkreuzungen und Seitenwegen trennten, um nach Hause zu gehen! Was bedeuteten Scrooge schon frohe Weihnachten? Was hatte es ihm je Gutes gebracht?
    „Die Schule ist noch nicht ganz leer“, sagte der Geist. „Ein einsames Kind, das von seinen Freunden gemieden wird, ist noch dort.“
    Scrooge sagte, er kenne es, und schluchzte.
    Sie verließen die Hauptstraße an einem Feldweg, dessen er sich gut erinnerte, und näherten sich bald einem dunkelroten Backsteingebäude, das auf seinem Dach eine Kuppel hatte, die mit einem Wetterhahn versehen war und in der eine Glocke hing. Es war ein großes, aber verwahrlostes Haus, denn die weitläufigen Wirtschaftsräume hatte man selten benutzt; die Wände waren feucht und moosbewachsen, die Fenster zerbrochen und die Tore eingefallen. Hühner gluckten und stolzierten in den Pferdeställen einher; die Wagenschuppen und Remisen waren vom Gras überwuchert. Auch im Inneren war nichts mehr von dem alten Zustand übriggeblieben. Als sie die trostlose Vorhalle betraten und durch die

Weitere Kostenlose Bücher