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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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Aarons. Aber er will ja nicht reden. Und sie, Klara, muss reden.
    Was hat Henriette denn gemacht, fragt Aaron zurück und wappnet sich, die Geschichte mit dem Kind und der Schande noch einmal
     zu hören. Klara, Klara, murmelt er, du wirst mir vor unserer ersten Nacht doch nicht in die Umnachtung abhauen.
    Darüber muss er lächeln. Über das Wortspiel und die Tatsache, dass sein Verstand immer besser zu funktionieren scheint. Seit
     er Klara kennt. Als brächte sie alles noch einmal auf Vordermann. Er muss ja auch andauernd für sie mitdenken, wenn ihr alles
     verrutscht. Aber das wird es wohl nicht allein sein. Klara ist tatsächlich seine späte Liebe. Er kann nicht zulassen, dass
     sie verrottet in diesem Heim. Dass sie ihn alleinlässt. Dass sie stirbt und man sie verbrennt und er zurückbleibt. Willst
     du dich verbrennen lassen, wenn du gestorben bist, fragt er Klara, und die zuckt zusammen, weil sie Aaron noch nie so grob
     erlebt hat. Was redet der vom Tod. Morgen wollen sie zusammen in ein Hotel gehen.
    Eigentlich schon, sagt Klara und bleibt stehen, damit sie Aaron ins Gesicht sehen kann. Was will er? Sie ist nicht seine Familie,
     und wenn sie tot ist, wird sie sich in Luft auflösen. Aber damit muss Aaron leben. Kein Vergleich ist das.
    Sag mir, was Henriette gemacht hat, bittet Aaron und wischt das Thema weg, als sei es ihm nun peinlich.
    Erst war sie Lehrerin und dann in der Wissenschaft. An einem Institut. Sie hat an einem großen Forschungsprojekt gearbeitet.
     Zusammen mit anderen. Aber als die Wende kam, wollte niemand mehr etwas davon wissen. Und dann hat sie von vorn angefangen.
     Klara setzt wieder einen Fuß vor den anderen. Morgen oder übermorgen oder gar nicht wird ihr einfallen, was Henriette genau
     gemacht hat. Jetzt hat sie schon mal bei Aaron hinterlassen, was wichtig ist. Falls es ihr entfällt, kann er sie morgen oder
     übermorgen oder gar nicht daran erinnern.
    Klara ist müde. Die letzten Meter zum Heim schlurft sie nur noch. Dort steht das Abendessen schon auf dem Tisch. In zwei Stunden
     müssen sie alle im Bett sein. Die nicht wollen oder zu viel zappeln, bekommen ein paar Tropfen oder einen Müdemacher. Die
     ganz Schlimmen wird man einfach anbinden. Damit sie nachts keinen Unsinn anstellen. Klara fürchtet sich davor, angebunden
     zu werden. Dann wird sie garantiert ins Bett machen. Wenn die mich mal anbinden sollten, Aaron, dann musst du kommen und mich
     losschneiden.
    Das werde ich tun, sagt Aaron. Ich habe ein Schweizer Taschenmesser. Hat mir mein Sohn geschenkt. Und damit schneide ich dich
     dann los.
    Zum Abendbrot gibt es Musik. Wieder irgend so etwas Schreckliches, von dem die hier meinen, dass es den Alten gefällt. Klara
     ist müde. Sie lässt ihr Brot auf dem Teller, trinkt nur von dem Tee. Hagebutte. Grauenvoll. Hat siefrüher immer gehasst. Sie lässt sich von Aaron aufs Zimmer bringen, und kaum ist der fort, kommt schon die Zicke, um zu schauen,
     ob Klara alles allein schafft. Bevor sie sich von der helfen lässt, springt sie lieber aus dem Fenster. Klara lächelt der
     Zicke zu und sagt gute Nacht. Das beruhigt die Pflegerin.
    Was wollten wir morgen tun, Aaron und ich, fragt sich Klara. Sie ist sich nicht mehr sicher, ob dieser Tag wirklich stattgefunden
     hat. Sie muss nachdenken und alles im Kopf behalten. Hoffentlich weiß Aaron morgen früh noch, was sie vorhatten. Hoffentlich
     wacht sie morgen auf. Hoffentlich lebt Henriette dann wieder.

 
    Juli hat sich wirklich eingerichtet. Es gefällt ihr bei der Hebamme und deren Mann. Hier kann sie tun und lassen, was sie
     will. Niemand redet ihr rein, und doch ist fast immer jemand da. Nicht tagsüber. Da gehen die beiden arbeiten, die Hebamme
     und ihr Mann. Aber abends ist Juli nicht mehr allein. Und morgens auch nicht, wenn sie aufsteht und Svenja stillt. Morgens
     ist die schönste Zeit des Tages. Svenja ganz frisch und so, als hätte sie über Nacht wieder etwas Neues gelernt. Die Hebamme
     schminkt sich die Augen, bevor sie in die Küche kommt und das Frühstück macht. Und ihr Mann liest Zeitung. Ganz altmodisch
     ist das. Am Morgen. Er liest die Zeitung, und manchmal liest er etwas vor. Dann murmelt die Hebamme zustimmende Worte oder
     gibt sich erstaunt, entsetzt, entgeistert, wütend, verwundert. Immer so, wie ihr Mann es zu hoffen scheint. Sie sind ein eingespieltes
     Paar, findet Juli. So eingespielt, wie es ihr noch nie begegnet ist. Das macht, dass sie nun andauernd an Elisa denken kann
     und an

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