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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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grinsen und wird von einer
     unbändigen Lust befallen, der Zicke von Pflegerin zu erzählen, was sie vorhat. Die würde sie glatt einsperren lassen, da ist
     sich Klara sicher. Deshalb ist es wohl besser, sie verkneift sich den Spaß. Klara hat ein klares Gefühl, sagt sie, und ihr
     Spiegelbild schickt ein fröhliches Lächeln zurück. In dieser Nacht hat sie von Henriette geträumt. Es war, als hätte ihr Kopf
     beschlossen, jetzt noch einmal in die Offensive zu gehen. Klara fühlt, dass dies die letzten Möglichkeiten sind, sich zu erinnern.
     Das ist wie bei Krebskranken, hatte sie in der Nacht gedacht, als sie nach dem Traum von Henriette aufgewacht war. Die fühlen
     sich dann, kurz bevor es ans Sterben geht, auch noch einmal ziemlich gut.
    In ihrem Traum hatte sie sich mit Henriette versöhnt. Sie hat ihr gesagt, wie schlimm es in all den Jahren für sie gewesen
     sei, sich an die Schande zu erinnern. Die Schandemit diesem Mann, den Henriette geliebt hatte und den sie, Klara, verraten musste. Weil es sich damals so gehörte in ihren
     Augen. Das mit dem Russen hat sie nicht entscheiden können und das mit diesem Thomas auch nicht. Wirklich. Was Henriette aber
     nicht mehr erfahren konnte.
    Klara setzt sich aufs Bett und legt die Hände in den Schoß. Die Entscheidung mit der Unterwäsche muss noch etwas warten. Was
     Henriette auch nicht mehr erfahren konnte, weil sie zusammen mit Elisa unter ein Auto gelaufen ist. Dass sie, Klara, diesem
     Thomas einen Brief geschrieben hatte. Nachdem er aus dem Gefängnis gekommen war. Und in dem Brief hatte sie geschrieben, dass
     Henriette unschuldig war. Nichts dafür konnte. Gar nicht gewollt hatte, dass es so kommt. Dieser Thomas hat ja nie geantwortet,
     aber den Brief wird er doch bekommen haben. Denkt Klara. Und wenn nicht, dann werden sie ihm später erzählt haben, was gewesen
     ist. Als das hier vorbei war mit dem Land und allem. Aber vielleicht haben die, denen sie diesen Thomas verraten hatte, später
     Verrat an ihr begangen. Und den Brief nicht so weit kommen lassen, wie er sollte. Vielleicht war das die Rache an ihr. Der
     Russenhure und Kommunistenbraut und Verräterin.
    Klara steht auf und geht wieder zum Schrank. Sie nimmt ein weißes Unterhemd und einen weißen Schlüpfer und den Büstenhalter,
     der kein Büstenhalter, sondern eine Prothese ist. Ein Brustersatz, eine Lebenshilfe. Denkt Klara manchmal, wenn sie ihn umbindet
     und binnen Sekunden eine vollständige Frau wird. Damals, in den ersten Jahren nach der Operation, musste sie sich Watte in
     ihre Büstenhalter stopfen. Und wenn es draußen richtig warm war und sie schwitzte, dann klebte die Watte wie ein Weihnachtsmannbart
     an ihren Narben. Sie hat ewig gebraucht an solchen Abenden, um jeden Wattefussel vom Körper zu bekommen.
    Jetzt zieht sie für Aaron und für sich weiße, fast neue Unterwäsche an. Ihre Oberschenkel sind wirklich noch erstaunlich glatt.
     Wir werden uns ganz fragmentarisch lieben, denkt Klara und freut sich über dieses Wort. Wie sie sich immer freut, wenn ihr
     solche Sachen einfallen. Wenn ihr Verstand plötzlich wieder gut funktioniert. Meine Oberschenkel, denkt sie und streicht mit
     den Fingerspitzen über die Hautpartien zwischen Knien und Schlüpfer, sind in Ordnung. Mein Bauch ist gar nicht so schlecht.
     Meinen Rücken kann ich nicht sehen, aber immerhin bin ich hier auf der Etage wahrscheinlich eine der wenigen, deren Haut noch
     nicht wundgescheuert ist vom Liegen. Die Schultern. Klara streicht die Träger vom Büstenhalter etwas herab und geht ganz nah
     an den Spiegel. Meine Schultern sind noch halbwegs rund.
    Jetzt wird es heikel. Klara dreht sich noch einmal um und versucht einen Blick auf ihren Hintern zu erhaschen. Nur einen kurzen,
     denn die Halswirbel knacken verdächtig bei der ungewohnten Bewegung. Mit beiden Daumen hat sie vorsichtig den weißen Schlüpfer
     etwas nach unten gezogen. Nicht allzu weit. Das wagt sie nun doch nicht. Sogar noch besser als meine Oberschenkel, murmelt
     sie und bedeckt mit weißer Baumwolle, was sie später vielleicht auch Aaron zeigen will.
    Sie setzt sich wieder aufs Bett und versucht die Strumpfhose so anzuziehen, dass alles seine Richtigkeit hat. Reißt die Packung
     auf und stellt fest, dass die Farbe der Strumpfhose nicht etwa dunkelgrau ist, sondern dunkelgrün. Da muss sie also umdenken,
     denn nun geht das mit dem dunkelblauen Kleid nicht mehr.
    Klara denkt an Franz und macht sich für Aaron schön. Franz hat sie

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