Allein auf Wolke Sieben
Strich durch die Rechnung gemacht? Innerlich verfluche ich die Chefin für ihr schlechtes Timing. Was fällt der eigentlich ein?
»Wahrscheinlich hat sie das alles gar nicht im Blick, du hast doch selbst gesagt, dass sie einen ziemlich überlasteten Eindruck gemacht hat«, versucht Liesel mich abends im »Sternenfänger« zu beruhigen.
»Oh ja, die Arme«, sage ich triefend vor Sarkasmus.
»Irgendwie schon«, nickt mein Gegenüber ernsthaft. »Es ist bestimmt nicht schön, wenn von allen Seiten an einem gezerrt wird und alle immer nur was von einem haben wollen.«
»Du klingst schon genau wie sie«, sage ich düster und sie lächelt geschmeichelt.
»Danke.«
»Was mache ich denn jetzt bloß?«, jammere ich und sie zuckt die Schultern.
»Gar nichts.«
»Gar nichts?« Ungläubig sehe ich sie an. Sie nimmt einen tiefen Zug aus ihrem dunkelblauen Smell.
»Süße, ich habe nur ein Wort für dich: Fatalismus. Du kannst das Schicksal nicht ändern, also akzeptiere es.«
»Aber das ist es ja gerade. Ich habe das Schicksal bereits verändert, indem ich all diese Briefe an Gott geschrieben habe. Michael wäre bestimmt neunzig geworden, wenn ich mich da nicht eingemischt hätte«, rede
ich auf sie ein, während sie Samuel ein betörendes Lächeln schenkt und anerkennend den Daumen in die Höhe hebt.
»Sternenklare Nacht, willst du mal?«, bietet sie mir an, doch ich schüttele den Kopf.
»He, hast du eigentlich mitbekommen, dass ich ein Problem habe?« Sie rollt mit den Augen.
»Das habe ich verstanden. Mich interessiert nur eins: Ist es lösbar?«
»Eben nicht, das ist ja das …«, antworte ich verzweifelt, als mir plötzlich das Wort im Halse stecken bleibt. »Nanu, was ist denn das?«
»Was denn?« Interessiert sieht Liesel in die Richtung, in die ich starre. »Ach so, Thomas«, stellt sie fest, »was hat er denn da für ein hübsches Mädchen im Schlepptau?« Noch bevor ich antworten kann, haben die beiden uns entdeckt und unseren Tisch angesteuert.
»Hallo, ihr beiden«, sagt Thomas und strahlt über das ganze Gesicht. »Darf ich vorstellen, das sind Lena und Liesel und das hier ist …«
»Anastasia«, ergänze ich, doch er schüttelt den Kopf.
»Nein, Esmeralda«, verbessert er. Verwundert sehe ich die helläugige Schöne an.
»Hab es mir anders überlegt«, zwinkert sie mir lächelnd zu.
»Und woher kennt ihr euch?«, erkundigt sich Liesel, nachdem die beiden sich zu uns an den Tisch gesetzt und ihre Bestellung aufgegeben haben.
»Wir standen hintereinander in der Schlange bei ›Reincarnation‹«, erklärt Thomas lächelnd und sieht Anastasia-Esmeralda verzückt von der Seite an, »ihr
glaubt ja nicht, was da los war. Stundenlang ging es nicht voran, aber dafür sind wir miteinander ins Gespräch gekommen.«
»Wie schön für euch«, freut sich Liesel. Ich weiß jetzt nicht, was daran sooo toll sein soll, außerdem interessiert mich etwas ganz anderes.
»Was wolltest du denn bei ›Reincarnation‹?«, erkundige ich mich verständnislos.
»Ich wollte da meine Wäsche abgeben«, antwortet er und bricht gemeinsam mit Esmeralda in ein albernes Kichern aus. Auch Liesel grinst anerkennend, nur ich kann das gar nicht komisch finden. Anscheinend sieht man das meinem Gesicht an, denn Thomas findet mühsam seine Beherrschung wieder: »Sorry, war nur ein dummer Witz.«
»Total dumm«, sage ich schlechtgelaunt.
»Das war aber auch eine Steilvorlage von dir«, versucht Liesel zu schlichten, »was soll er denn schon bei denen wollen?«
»Willst du den Job wechseln?«, frage ich hoffnungsvoll, doch er schüttelt den Kopf.
»Nein, ich, nun ja, ich denke, es ist an der Zeit für mich, auf die Erde zurückzukehren.« Fassungslos starre ich ihn an und bin froh, dass in diesem Moment Samuel mit den bestellten Smells ankommt.
»Einmal heiße Schokolade mit Sahne und Butterrumaroma für die Dame«, damit stellt er galant einen verschnörkelten Flakon vor Esmeralda ab, die verzückt seufzt. »Und ein Bier«, fährt er mit schlecht verborgener Verachtung in der Stimme fort und knallt es Thomas vor die Nase. »Lissy, darf ich dir noch was bringen?«, erkundigt er sich bei meiner Großmutter, die ihn von unten herauf anschmachtet.
»Nein danke, Sam«, haucht sie.
»Aber ich hätte gerne was«, gehe ich dazwischen, »was Hochprozentiges.«
»Bring ihr lieber etwas zur Beruhigung«, sagt Liesel besorgt, bevor ich mich wieder an Thomas wende.
»Bitte sag mir, dass ich mich verhört habe. Du willst
Weitere Kostenlose Bücher