Allein auf Wolke Sieben
Wohlbefinden von anderen abhängig zu machen? Und von Umständen, die du sowieso nicht in der Hand hast?« Verwirrt blinzele ich zu ihr hoch.
»Aber …«
»Nichts aber!« Mit einer herrischen Handbewegung bringt sie mich zum Schweigen. »Ich sage ja nicht, dass du Michael nicht hättest vermissen sollen, aber sämtlichen Privilegien, die dir der Himmel bietet, zu entsagen, das war sicher nicht der richtige Weg.«
»Was für Privilegien?«, frage ich begriffsstutzig und sie verdreht übertrieben die Augen.
»Was für Privilegien? Ist das dein Ernst? Kein Schnupfen, keine Pickel oder Falten. Du kannst dir jeden Tag ein anderes Sofa ins Wohnzimmer stellen. Du kannst Haute Couture tragen, ohne dafür ein Monatsgehalt auszugeben. Du kannst …«
»Was nützt mir das, wenn meine große Liebe nicht bei mir ist?«, frage ich heftig, mich nun ebenfalls aufsetzend.
»Kind«, sagt Liesel und sieht mich aus ihren hellen Augen zärtlich an. Plötzlich erkenne ich in der jungen, lebenslustigen Frau wieder meine runzelige, alte Großmutter, die mich auf dem Schoß gewiegt und mir Lieder vorgesungen hat. »Dadurch hört doch dein Dasein nicht auf. Deshalb darfst du doch nicht aufhören, es dir selber so schön wie möglich zu machen. Und sieh mal, übermorgen kommt Michael nun endlich, aber dafür wird Thomas uns verlassen.«
»Ich …«, setze ich an.
»Erzähl keinen Unsinn, ein Blinder konnte sehen, dass du eifersüchtig auf diese Esmeralda bist.« Eifersüchtig? Ich?
»Wieso sollte ich eifersüchtig sein? Thomas ist nur ein Freund.«
»Er ist viel mehr als das. Er ist eine befreundete Seele. Das gibt es nicht so häufig. Aber sicher öfter als nur ein einziges Mal.«
»Aber … Michael«, stottere ich verwirrt und sie nickt.
»Auch ein Seelenfreund.«
»Ich dachte«, flüstere ich, »ich dachte, er ist die Liebe meiner Leben.«
»Das kann er doch auch sein. Aber hast du allen Ernstes geglaubt, wir treffen auf unserer Reise nur eine einzige verwandte Seele? Das wäre ja schrecklich.« Ich bin jetzt vollkommen verwirrt und anscheinend ist mir das deutlich anzusehen. Jedenfalls wirft Liesel mir im Aufstehen eine zärtliche Kusshand zu.
»Nun schau doch nicht so verzweifelt. Ich gehe jetzt wieder hoch, bis morgen, ja?«
»Moment mal«, rufe ich sie zurück und sie dreht sich in der Tür noch einmal um.
»Ja?«
»Soll das etwa heißen, diese Katrin könnte auch eine Seelenfreundin von Michael sein?«
»Schon möglich. Genauso wie Esmeralda für Thomas.«
»Oder Mozart für dich?«, frage ich ironisch und sie lächelt strahlend.
»Genau.«
Mitten in der Nacht schrecke ich aus einem unruhigen Schlaf hoch. Ich werfe einen Blick aus dem Fenster in
den pechschwarzen Nachthimmel, als ich es erneut klopfen höre. Mühsam rappele ich mich auf und gehe zur Tür.
»Wer ist da?«
»Ich bin es. Thomas.« Ich reiße die Türe auf und da steht er vor mir, mal wieder ganz in weiß gekleidet und lächelt mich an.
»Hallo«, sage ich verlegen.
»Tut mir leid, es ist spät, ich weiß. Hast du schon geschlafen?«
»Äh, nein«, lüge ich und fahre mir durch die sicher völlig zerzausten Haare. »Komm doch rein.«
»Danke.« Er betritt die Wohnung und sieht sich erstaunt um. »Wow, hier hat sich ja einiges verändert.«
»Ja. Setz dich doch. Die Couch ist wirklich sehr bequem.« Er lässt sich darauf nieder und nickt.
»Das ist allerdings etwas anderes als die Holzstühle, auf denen du bisher deine Besucher empfangen hast.« Ich sehe betreten auf den Boden, während ich auf dem Sessel ihm gegenüber Platz nehme, und er sagt schnell: »Blöder Witz, tut mir leid.«
»Schon gut.«
»Du freust dich sehr auf Michael, oder?« Ich nicke.
»Ja, das tue ich.«
»Ich wollte mich entschuldigen, weil ich dich so angepampt habe. Ich glaube, ich habe überreagiert.«
»Schon gut«, winke ich ab.
»Nein, ist es nicht.« Aus seinen schönen grünen Augen sieht er mich offen an. »Ich war sauer. Aber nicht über deinen Spruch. Sondern darüber, dass Michael herkommen und hier bei dir wohnen wird. Dass dann für mich kein Platz mehr ist.«
»Du bist doch mein bester Freund«, sage ich traurig.
»Versteh mich nicht falsch, ich wollte nie seinen Platz bei dir einnehmen. Ich wollte nur …« Eine Weile lang sieht er stumm vor sich hin, als würde er nach den richtigen Worten suchen. »Ich wollte meinen Platz bei dir einnehmen. Aber du hast mich nicht gelassen, und nun ist es zu spät.« Ungläubig sehe ich ihn an.
»Aber du
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