Allein auf Wolke Sieben
was?« Seine sanften, grünen Augen halten meinem Blick stand.
»Auf die Erde zurückkehren.«
»Und wenn wir es geschickt anstellen«, wirft Esmeralda ein, »werden wir in unmittelbarer Nachbarschaft geboren, spielen in der gleichen Sandkiste und gründen später eine Familie.«
»Genau!« Thomas nickt strahlend.
»Und das habt ihr euch an einem einzigen Nachmittag ausgedacht?«
»Wieso auch nicht? Wenn es passt, dann passt es eben.« Sie nimmt einen Zug von ihrem Smell und seufzt genießerisch: »Ist das gut. Thommy, das musst du unbedingt probieren.« Damit hält sie ihm den Flakon unter die Nase und sieht ihm verzückt beim Riechen zu. »Sobald wir unten sind, können wir das jederzeit haben«, meint sie verheißungsvoll und er nickt.
»Das und noch viel mehr.« Ich glaube, mir wird schlecht.
»Nur wenn nicht einer von euch wieder hochkommt, bevor er überhaupt geboren wurde«, sage ich böser als beabsichtigt.
»Lena«, ruft Liesel und sieht richtig schockiert aus.
»Ich hab’s nicht so gemeint, tut mir leid«, presse ich zwischen den Zähnen hervor.
»Das sollte dir auch leidtun«, fährt Thomas mich an,
»kannst du dir nicht vorstellen, dass diese Sache traumatisch für Esmeralda war? Oder bist du vielleicht immer noch der Meinung, du seiest die einzige Seele weit und breit, die unter ihrem eigenen Tod leidet?«
»Ich, nein, natürlich nicht«, stammele ich und sehe zerknirscht von einem zum anderen. Liesel, die sich der Situation entzieht, um über den Tresen hinweg mit Samuel zu flirten, Esmeralda, die an ihrem Smell schnüffelt und auf mich eigentlich keinen besonders traumatisierten Eindruck macht, und Thomas, der mich böse ansieht. Es ist ein schreckliches Gefühl. So wütend habe ich ihn noch nie gesehen. Seit ich im Himmel angekommen bin, war Thomas immer für mich da, ein treuer Freund und Gefährte. Und nun will er mich plötzlich hier oben alleine lassen? Mit dieser Frau, die er seit fünf Minuten kennt, in ein neues Leben gehen? »Ich wünsche euch viel Glück«, sage ich steif und erhebe mich.
»Das wünsche ich euch auch, dir und Michael«, antwortet Thomas.
»Michael, wer ist das?«, erkundigt sich Esmeralda ahnungslos und er antwortet knapp: »Ihre große Liebe.« Forschend sehe ich ihn an. Ist das etwa der Grund für seinen überstürzten Entschluss, ein neues Leben anzufangen? Doch er weicht meinem Blick beharrlich aus und starrt vor sich auf die Tischplatte.
»He, was ist mit deinem Smell?«, fragt Samuel, als ich an ihm vorbei Richtung Ausgang stürze, aber ich winke ab.
»Will ich nicht mehr.«
»Hat jemand Lust auf heiße Milch mit Honig?«, höre ich ihn noch in die Runde fragen, bevor die Tür hinter mir zufällt.
Gute und schlechte Tage, so ist das Leben und so ist auch der Tod. Seufzend strecke ich mich auf meinem neuen Bett aus und starre an die Decke. Heute war definitiv einer von den schlechten Tagen. Erst diese Katrin, dann das Wiedersehen mit Michael, der, wenn ich das richtig verstanden habe, alles andere als erbaut sein wird, wenn er mir übermorgen gegenübersteht, große Liebe hin oder her. Und nun noch diese unerwarteten Neuigkeiten von Thomas. Ob er meinetwegen gehen will? Räumt er freiwillig das Feld, um Platz für Michael zu machen? Nicht, dass wir beide so etwas wie eine Beziehung geführt hätten, aber wer kann das hier oben schon von sich behaupten? Sex steht ja nicht zur Debatte. Und Thomas und ich, wir sind gute Freunde. Enge Freunde! Ich will nicht, dass er geht! In diesem Moment schrecke ich hoch. Was war das für ein Geräusch? Ein Klopfen an der Tür.
»Wer da?«, brülle ich, weil ich mich außerstande fühle, das Bett zu verlassen.
»Ich bin es, Lissy!«
»Lissy, ich kenne keine … ach so«, unterbreche ich mich dann, »komm rein. Ich bin im Schlafzimmer.« Damit sinke ich zurück in die Kissen.
»Das war ja ein plötzlicher Abgang«, bekundet meine Großmutter, als sie gleich darauf ins Zimmer tritt. »Schön hast du es hier gemacht«, lobt sie und streckt sich neben mir auf der breiten Matratze aus.
»Danke«, murmele ich.
»Das wurde aber auch Zeit. Ich wünschte nur, du hättest das schon früher getan. Nicht erst mit der Aussicht darauf, dass Michael herkommt.«
»Ach, es war mir halt nicht so wichtig, wie ich wohne«,
gebe ich schulterzuckend zurück. Mit einem Ruck setzt sich »Lissy« neben mir kerzengerade auf.
»Das sollte es aber«, sagt sie nachdrücklich und sieht mich streng an. »Wann wirst du endlich aufhören, dein
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