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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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Wahrheit ins Gesicht sah, musste sie sich eingestehen, dass er es auch niemals sagen würde.
    Ihr Mann war ihr schon damals ein Rätsel gewesen und war es noch heute.
    Suzy gähnte, ging an Ottos Zimmer vorbei in ihr eigenes und legte sich in die Mitte des leeren, extrabreiten Doppelbetts.
    Die Leintücher waren kalt. Sie igelte sich zusammen, damit ihr wärmer wurde.
    Morgen. Morgen würde sie anrufen. Was hatte sie sonst schon für eine Wahl?

Samstag
    Kapitel 7 Debs
    Am nächsten Morgen klingelte es um elf an der Tür. Oben im Schlafzimmer hob Debs überrascht den Kopf. Wer konnte das sein? Wer kam am Samstagvormittag hier vorbei? War Allens Cricketmatch abgesagt worden?
    Die Sonne schien heute wieder ins Schlafzimmer und veranstaltete eine Lasershow, ließ in ihren Strahlen die Staubpartikel tanzen. Debs hatte die Hand danach ausgestreckt und beobachtet, wie winzige Schmutzteilchen, Haut- und Haarschüppchen um ihre Finger wirbelten, hinterlassen von Menschen, die im Lauf eines Jahrhunderts hier geschlafen hatten.
    Eigentlich hatte sie nicht schlecht geschlafen. Ausnahmsweise war sie einmal nicht von Gedanken an das Poplar-Mädchen wach gehalten worden. Allen war kurz nach ihr in seinem grünen Paisley-Pyjama ins Bett gestiegen und hatte sich leise umgedreht, so dass er mit dem Rücken zu ihr lag. Sie hatte sich gefragt, ob sich daran etwas ändern würde, wenn sie in ihr neues Haus umzogen, aber bis jetzt deutete noch nichts darauf hin.
    Um halb elf Uhr abends hatte sie nebenan die Toilettenspülung gehört, später nicht mehr. Das wäre wohl erträglich. Man musste abwarten. In Hackney hatte sie von ihrer Nachbarin drei Jahre lang überhaupt nichts mitbekommen. Dann hatte sie eines Nachts gehört, wie die Haustür aufging und Absätze auf der Treppe klapperten. Danach war es mit der Ruhe für immer vorbei gewesen.
    Debs rieb sich den steifen Hals, rappelte sich hoch, verließ das Schlafzimmer und nahm dabei noch den letzten leeren, gelb markierten und mit »Allen« beschrifteten Karton mit. Allens Sockenschublade war nun voller brauner und grauer Sockenpaare, die, obwohl gewaschen, immer noch leicht nach Schuhen müffelten. Das war mit das Seltsamste, wenn man zum ersten Mal mit einem Mann zusammenlebte. Die fremden Gerüche.
    Mit dem leeren Karton vor sich konnte sie den oberen Flur nicht richtig überblicken. »Aua!«, schrie sie, als ihr Schienbein gegen eine harte Kante stieß; Debs verlor das Gleichgewicht und stürzte seitlich gegen die Wand. Sie konnte gerade noch die linke Hand zum Abstützen ausstrecken. Ein heftiger Schmerz fuhr ihr durch den Arm bis hinauf in die Schulter und den steifen Nacken. »Oh«, stöhnte sie. Zu spät erinnerte sie sich daran, was Allen ihr heute früh vor seinem Aufbruch zum Cricketclub gesagt hatte: »Ich habe dir noch einen Karton vor die Schlafzimmertür gestellt, Schatz.«
    Sie hinkte die Treppe hinunter, rieb mit einer Hand das angeschlagene Knie und presste die andere in den Nacken. Der hatte die ganze Nacht weh getan. Das Letzte, was sie brauchte. Und Knieschmerzen genauso wenig.
    Es klingelte wieder. Du lieber Himmel.
    »Komme schon«, rief Debs, als sie unten war. Die Morgensonne schien durch die Glasrosen in der Eingangstür und warf ein Prisma aus Rot- und Pinktönen auf den Spiegel des altmodischen Garderobenständers, ebenfalls eine Hinterlassenschaft von Allens Mutter. Der Ständer strotzte vor geschnitzten Schnörkeln und Ornamenten, vor Halterungen für große Regenschirme, Haken für Hüte und Brettchen für weiß Gott nicht alles. Allens Mutter hatte ihm viele Dinge vererbt, mit denen Debs nicht sonderlich glücklich war, einschließlich der Miniatur-Standuhr gegenüber dem Garderobenständer und der hässlichen Vitrine im Wohnzimmer, die den Raum schier erdrückte: Hinter düsteren Mahagonitüren stapelte sich das lindgrüne Burleigh-Hochzeitsservice aus den dreißiger Jahren, von bräunlichen Sprüngen geädert. So schien Allens Mutter immer noch allgegenwärtig, schien ihren Sohn aus allen Ecken zu tadeln.
    Debs holte tief Luft.
    »Hallo?«, sagte sie durch das Türglas.
    »Äh – Hallo?«, antwortete auf der anderen Seite die Stimme einer jungen Frau. Sie klang nervös.
    »Kann ich etwas für Sie tun?«, rief Debs wieder.
    »Äh … ich bin bloß … ich wollte nur … äh …«
    Debs lugte durch den Spion. Auf der Schwelle stand eine Frau mit langen, dunkelblonden Locken, neben ihr ein kleines Mädchen, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war

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