Allein die Angst
und nur etwas blondere Haare und dunklere Augen hatte. Die Frau hielt eine mit Alufolie abgedeckte Auflaufform und eine Flasche in den Händen.
O nein.
Debs wurde ganz flau; sie öffnete die Tür.
»Ja?«, sagte sie schwach und streckte den Kopf durch den Spalt.
»Hi«, grüßte die Frau. Sie wirkte ziemlich unsicher. »Ich bin Callie, von gegenüber.«
»Ah. Ja bitte?«, erwiderte Debs.
»Entschuldigung – geht es Ihnen nicht gut?«, fragte die Frau, als Debs sich das Knie rieb.
»Doch, doch. Ich habe nur gerade einen kleinen Sturz hinter mir«, erklärte Debs.
»Dann habe ich wohl einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt?«, fragte die Frau.
Ja, dachte Debs. Das hast du.
»Ich wollte nur diese Lasagne vorbeibringen und den Wein, als kleinen Willkommensgruß unter Nachbarn. Ich wohne mit Rae auf der anderen Seite.«
Debs musterte die beiden von Kopf bis Fuß. Konnte sie das Essen einfach nehmen und die Tür wieder zumachen?
Was würde Allen in dieser Situation von ihr erwarten? Sie dachte fieberhaft nach.
»Wie nett von Ihnen«, zwang sie sich dann ab. »Möchten Sie hereinkommen?«
Das Gesicht der jungen Frau leuchtete auf. »Danke, das wäre sehr nett. Wir wollen nicht lange stören.«
Debs winkte sie herein und lächelte das kleine Mädchen an. Die Frau, die sich Callie nannte, war sehr schlank, bemerkte Debs; sie trug Jeans, eine bestickte Bluse und Sandalen. Sie sah aus wie diese mühelos feingliedrigen, dünnen Mädchen, die Debs in der Schule immer beneidet hatte. Befangen zog sie ihren langen, marineblauen Pulli über die ausladenden Hüften. Das zarte kleine Mädchen trug ein Sommerkleid, und ihre Haut war so hell wie Weißbrot.
»Ich bin übrigens Debs«, stellte Debs sich vor und bezwang das Zittern in ihren Fingern, als sie Callie die Mitbringsel abnahm. »Kann ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«
»Nun ja … gerne, wenn es keine Umstände macht?« Callie sah sich die Kartonberge an.
»Überhaupt nicht.« Debs ging den beiden voraus. »Ich brauche nur einen Moment, um alles zu finden. Wir haben immer noch ein ziemliches Durcheinander. Wohnen Sie denn schon lang in dieser Straße, Callie?«, fragte sie, schaltete den Wasserkocher an und nahm den Deckel von der Teekanne.
Das funktionierte meistens. Wenn sie den Leuten Fragen stellte, erzählten sie in der Regel von sich selbst und ließen Debs in Ruhe.
»Ungefähr zwei Jahre«, antwortete Callie und lächelte.
»Sind Sie aus der Gegend?«
Callie schüttelte den Kopf. »Nein. Gar nicht. Wir haben vorher in Tufnell Park gewohnt. Aber wir, äh …« Mit einem Seitenblick auf Rae zuckte sie mit den Schultern. »Hier gibt’s jedenfalls eine Menge schöner Parks. Und wie ist es bei Ihnen? Wo waren Sie vorher?«
»In Hackney«, sagte Debs und hängte Teebeutel in die Kanne. »Allen und ich haben gerade geheiratet …« Sie sah, dass Rae die Ohren spitzte, und zwinkerte ihr zu. Sie merkte der Kleinen an, dass sie sich vorstellte, wie die alte Debs wohl in einem weißen Hochzeitskleid aussah. Ihrem Gesicht nach fand sie das Ergebnis wohl ziemlich abstoßend.
»Herzlichen Glückwunsch!«, sagte Callie. »Das ist ja wunderbar.«
»Vielen Dank.« Debs goss das heiße Wasser in die Kanne. O nein. Jetzt würde sich die Frau womöglich nach der Hochzeitsfeier erkundigen, und darüber wollte sich Debs auf gar keinen Fall unterhalten. Mit niemandem.
»Und was machen Sie so?«, fragte sie daher. »Beruflich?«
Callie sah sie überrascht an und lachte plötzlich auf.
»Komisch, dass Sie das jetzt fragen. Vor Jahren war ich Sound-Designerin – Sie wissen schon, ich habe den Ton, die Klangeffekte für Fernsehspots und Filme gemacht. Jetzt am Montag übernehme ich nach jahrelanger Pause wieder einen ersten Auftrag und …«
Nein, es half alles nicht. Debs spürte, wie das Zittern in ihren Fingern immer schlimmer wurde. Sie versuchte noch, die Teekanne wieder auf die Arbeitsplatte zu stellen – zu spät. Die Kanne rutschte ihr aus den Händen.
Mit einem ohrenbetäubenden Krachen fiel sie zu Boden, dass die Splitter in alle Richtungen flogen.
Alle schwiegen wie gelähmt.
»Es tut mir ja so leid«, sagte Debs dann mit einem Blick auf die erschrockene Rae. »Ojemine, was bin ich für ein Tollpatsch. Was wird Allen sagen? Das war die Teekanne seiner Mummy.« Sie lächelte und stützte sich auf den Tisch; jetzt zitterten ihr auch die Knie.
Callie sah sie beschämt an. »Das ist meine Schuld, ich habe Sie abgelenkt. Lassen Sie mich beim
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