Allein die Angst
Aufräumen helfen.«
»Nein!« Das kam lauter heraus, als von Debs beabsichtigt. Es war schon eine Leistung, dass sie das Wort nicht herausschrie. »Bitte. Das wäre ja noch schöner. Ich muss mich entschuldigen, ich bin einfach noch sehr müde vom Umzug.«
»Wir haben uns wirklich einen schlechten Moment ausgesucht. Sind einfach so hereingeplatzt.« Die junge Frau errötete. »Wie wär’s, wenn wir unseren Tee ein andermal trinken, wenn Sie hier richtig angekommen sind?«
»Gerne.« Debs nickte. »Lassen Sie mir zwei Tage Zeit, bis ich alles ausgepackt habe, dann kommen Sie rüber, und wir machen es uns richtig gemütlich.«
Allerdings wäre sie von jetzt an auf der Hut. Sie würde die Tür nicht mehr öffnen.
»Hm, vielleicht finden Sie mich ein wenig dreist, wenn ich darauf zu sprechen komme«, sagte die junge Frau mit einem leichten Beben in der Stimme. »Aber mir sind Ihre vielen Bücher aufgefallen.«
»Ach die«, sagte Debs argwöhnisch. »Ich habe viel zu viele. Allen bittet mich immer, welche auszusortieren – aber ich mag meine Bücher eben.«
»Ich habe schon ewig nichts mehr gelesen und würde gern wieder anfangen. Da habe ich mich gefragt …« – im Gesicht der jungen Frau zuckte es nervös – »… ob ich vielleicht mal einen Blick auf Ihre Bücher werfen dürfte?«
Du liebe Zeit. Was kam da noch alles auf Debs zu?
»Mum …«, quengelte es aus der Diele. Beide Frauen hoben den Kopf und sahen das kleine Mädchen an der Haustür stehen. »Ich will nach Hause.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Callie. »Wir gehen jetzt lieber. Auch Rae ist heute ein bisschen müde.«
»Sehr nett von Ihnen, dass Sie die Lasagne vorbeigebracht haben«, sagte Debs erleichtert und folgte ihr in die Diele. »Die wird Allen schmecken, wenn er vom Cricket kommt.«
An der Haustür blieb Debs stehen; ihr Blick fiel auf einen Karton, auf dem in Grün »Speicher« stand. Da kam ihr eine Idee.
»Rae heißt du, nicht wahr? Magst du denn Handpuppen?«
Das kleine Mädchen nickte.
»Hättest du vielleicht gern die da?« Debs zog ein abstoßend hässliches Weihnachts-Rentier mit Filzhörnern und einer knallroten Bommelnase aus dem Karton. »Die hat Allens Mummy gehört. Sie hat sie selbst gemacht.«
Rae nahm die Handpuppe wortlos entgegen. Sie steckte lächelnd die Finger hinein und sah Debs an. Und ohne Vorwarnung ließ sie das Rentier Debs’ Arm hinaufgaloppieren und mit einem kräftigen Stups auf ihre Nase hopsen.
»Rae!«, schrie Callie.
Debs holte tief Luft. »Du liebe Güte!«, sagte sie dann.
»Es tut mir ja so leid!« Callie war entsetzt. »Rae – so kenne ich dich gar nicht! Normalerweise hat sie sehr gute Manieren. Rae, sag, dass es dir leidtut.«
»Nein!« Rae sah Debs trotzig an.
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, murmelte Callie. »Das ist mir furchtbar peinlich.«
»Keine Ursache«, sagte Debs. »Sie hat es sicher nicht bös gemeint.«
»Nun, mir tut es jedenfalls leid«, sagte Callie, riss Rae die Handpuppe weg und legte sie in den Karton zurück. »Ich werde zu Hause ein ernstes Wörtchen mit ihr reden. Und noch einmal vielen Dank.«
Debs winkte zum Abschied und schloss hinter den beiden die Tür.
»O Gott«, ächzte sie und ließ sich gegen die Wand sinken. Ihre Beine fühlten sich an wie Blei. Sie rieb über ihr schmerzendes Knie und ihren schmerzenden Nacken, dann über ihre schmerzende Nase. Die hässliche Fingerpuppe lag wieder im Karton und lachte sie mit ihren blauen Augenknöpfen aus.
Aber keine Sorge. Mit solchen kleinen Mädchen hatte Debs bereits ihre Erfahrungen; sie wusste, wie man mit ihnen fertig wird.
Als Allen am Nachmittag um drei vom Cricket nach Hause kam, hatte sich Debs wieder erholt. Die meisten der grün markierten Kartons standen im oberen Flur, damit er sie die Leiter hoch in den Speicher tragen konnte; jetzt schälte sie Kartoffeln fürs Abendessen.
»Schatz, hast du einen Moment Zeit?«, rief er aus dem Vorgarten nach ihr.
Was ist denn nun schon wieder?, dachte sie und stellte den Topf auf den Herd.
Sie kam heraus und sah die Amerikanerin von nebenan bei ihm stehen, außerdem einen Mann mit dunklen, aus dem Gesicht gekämmten Locken. Er überragte Allen um einiges, hatte einen markanten Unterkiefer und schwere, müde Lider. Debs bekam feuchte Hände.
»Schatz, das sind Suzy und Jez von nebenan«, stellte Allen die Nachbarn vor. »Sie haben mir gerade gesagt, dass am Mittwoch die Müllabfuhr kommt und auch die Recycling-Kiste geleert
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