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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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sage ich zu laut und mit einem Blick auf die Uhr. Wie ist es nur so schnell drei Uhr geworden? »Gut, dass du anrufst. Ich wollte mich heute Nachmittag auch schon bei dir melden und Bescheid sagen, dass man mit Rae auf der Straße zurzeit etwas aufpassen muss. Die Sache ist ein bisschen kompliziert: Als Rae vor der Einschulung ihre große Herz- OP hatte, gab es … nun ja, sie hat kurz unter Sauerstoffmangel gelitten und hat seither ein schlechtes Koordinationsvermögen. Das Problem im Moment ist, dass sie so wahnsinnig gern rennt und ich …«
    »Callie, darf ich dich unterbrechen«, sagt Caroline.
    »Klar. Entschuldige.« Ich höre mich bestimmt an wie eine Verrückte. Sie wird glauben, dass ich schon wieder betrunken bin.
    »Es tut mir sehr leid, aber ich rufe an, weil ich dir sagen muss, dass Rae heute doch nicht kommen kann.«
    Ich halte die Luft an. Nein. Bitte nicht.
    Caroline redet weiter. »Ich hatte völlig vergessen, dass Hannah heute um fünf noch eine Klavierstunde hat; sie holt die Stunde von letzter Woche nach, als sie krank war.«
    Caroline hält inne und wartet auf meine Antwort.
    Wie bringt sie das nur fertig? Was um Himmels willen habe ich dieser Frau getan?
    Und dann begreife ich. Caroline hatte nie die Absicht, Rae zum Spielen einzuladen. Sie hat gestern Abend nur ja gesagt, weil ihr so schnell keine Ausrede eingefallen ist, mit der sie sich hätte herauswinden können.
    Grausame Enttäuschung macht sich in mir breit. Wie wird Rae das aufnehmen?
    »Ach, wie schade. Nun ja, macht nichts«, murmle ich. »Caroline, würdest du es ihr bitte sagen, wenn du Hannah vom Hort abholst?«
    »Ja, natürlich. Und es tut mir so leid, Callie«, sagt Caroline. »Vielleicht ein anderes Mal.«
    »Vielleicht«, sage ich. Obwohl ich weiß, dass es kein anderes Mal geben wird.
    »Tschüs dann.«
    »Tschüs.«
     
    Mir bleibt gar keine Zeit, mich aufzuregen. Rae tut mir wahnsinnig leid, die Trauer sitzt mir als dicker Kloß im Hals, der beim Schlucken schmerzt. Guy flattert den ganzen Nachmittag bei mir ein und aus und belauert meine Fortschritte. Er vertraut mir an, dass Parker, wenn sein Kurzfilm gut ankommt, vielleicht auch Spielfilme drehen wird wie Sam Taylor-Wood und ähnliche Künstler. Wenn wir ihn jetzt beeindrucken, bringt uns das in Zukunft vielleicht weitere, noch größere Aufträge ein.
    Parker muss nächsten Mittwoch nach New York, deswegen ist die Zeit für uns knapp. Später am Nachmittag kommt Parker ebenfalls noch einmal vorbei, um zu sehen, was ich geschafft habe. Wir spielen alles noch einmal ab, dann fällt mein Blick auf die Uhr. Mir wird ganz anders. Wie ist denn das passiert? Eben war es noch zehn nach vier. Jetzt ist es zwanzig nach fünf.
    »Guy?«, flüstere ich. »Geht diese Uhr richtig?«
    Er vergleicht sie mit seiner Armbanduhr. »Ja – wieso?«
    »Tut mir leid, aber ich bin schon furchtbar spät dran – ich muss weg.«
    Er runzelt die Stirn.
    »Fünf Uhr, haben wir abgesprochen!« Ich bilde die Worte lautlos, nur mit den Lippen.
    »Kannst du noch zehn Minuten bleiben, Cal?«
    Was dabei mitschwingt, ist klar. Wir stehen unter Druck. Gestern hat er mich um vier gehen lassen, da bin ich ihm heute ein paar Minuten schuldig.
    »Okay, aber dann muss ich jemanden anrufen.«
    Ich laufe zur Empfangstheke, und Megan reicht mir ihr Telefon. Hektisch tippe ich eine Nummer ein. Ich hasse mich für meine Verlogenheit. Erst versuche ich, sie abzuschütteln, dann spanne ich sie ein, als gehörte sie zur Familie.
    »Suzy«, flüstere ich. »Hör mal – es tut mir furchtbar leid. Ich wurde aufgehalten. Ich glaube nicht, dass ich es bis sechs zum Hort schaffe. Ist es dir irgendwie möglich, Rae abzuholen? Dann rufe ich im Hort an und sage, dass du kommst?«
    Schweigen am anderen Ende.
    »Suze?«
    »Okay, Honey, mach ich …«, murmelt sie.
    »Was ist?«, frage ich. »Du klingst verärgert.«
    »Nein – überhaupt nicht, Honey. Nicht deinetwegen jedenfalls. Aber als ich Henry um halb vier abgeholt habe, hat Rae wieder ziemlich Theater gemacht.«
    »Wirklich?«, frage ich bestürzt. Um halb vier konnte Rae noch nichts von ihrer geplatzten Verabredung wissen – sie hätte sich eigentlich freuen müssen, dass sie mit Hannah in den Hort gehen kann.
    »Ja, sie lag auf dem Boden und hat gekreischt. Schließlich musste Ms. Aldon sie in den Hort bringen, weil sie mit Ms. Buck nicht mitgehen wollte. Und wenn jetzt noch dazukommt, dass du sie nicht abholst … Ich meine ja bloß, Honey. Da frage ich

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