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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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gegen den Zeitungsstand.
    »Alles in Ordnung?«, ruft der Zeitungsverkäufer mit rauer Stimme.
    Ich schüttle den Kopf, wanke ein paar Schritte in die eine Richtung, dann in die andere.
    Er fasst mich an der Schulter, der Geruch von kaltem Rauch steigt mir in die Nase.
    »Ich muss nach Northmore – meine Tochter ist auf der Straße gestürzt.« Panisch reiße ich mich von ihm los.
    »Alles klar. Bleiben Sie hier stehen«, ruft er mit seiner rauen Stimme, streckt den Arm aus und stößt einen durchdringenden Pfiff aus. Ein schwarzes Taxi bleibt stehen, er reißt den Schlag auf und schiebt mich hinein.
    »Northmore, Mann, Notaufnahme«, ruft er. »Das Töchterchen.«
    Und der Taxifahrer rast los, bevor ich danke sagen kann.

Kapitel 19 Debs
    Sie hatte eine Stunde, um sich nach der Arbeit im Hort umzuziehen und das Abendessen für Allen zu kochen. Sie ging durch die Küche und konzentrierte sich ganz darauf, den schlimmen Gedanken nicht in ihren Kopf hineinzulassen. Schließen Sie ihn in eine Kiste, hatte die Therapeutin zu ihr gesagt. Stopfen Sie jeden schlimmen Gedanken in eine Kiste, dann stellen Sie sich vor, wie Sie den Deckel zuklappen und die Kiste zuschließen. Füllen Sie Ihren Kopf mit anderen, neuen, harmlosen Gedanken.
    Zum Beispiel mit Gedanken über diesen neuen Herd. Er kam ihr für 180  Grad sehr heiß vor. Der Lammauflauf roch trocken und leicht angebrannt. Sie stach die Salzkartoffeln, die sie als Beilage machen wollte, mit einer Gabel an. Sie waren noch nicht gar. Allen hasste es, wenn die Kartoffeln harte Stellen hatten. Sie nahm Milch aus dem Kühlschrank, goss sie in den Topf mit den Kartoffeln und stellte ihn wieder aufs Gas. Zerstampf sie, dachte sie. Zerstampf sie zu Kartoffelbrei. Stampf sie gründlich durch. Dann sollten alle Klümpchen weg sein.
    Als sie zehn Minuten später das scharfe Klicken von Allens Schlüssel im Türschloss hörte, hatte sie die Kartoffeln zu einem wässrigen Püree zerstampft.
    Allen kam herein und stellte seine Aktentasche ab.
    »Hallo«, rief sie bemüht entspannt. »Das Essen ist fast fertig.«
    »Gut, Schatz«, antwortete er.
    Sie legte das Besteck auf den Tisch und kam in die Diele.
    »Lass mich helfen«, sagte sie und zog ihm den Mantel von den Schultern.
    »Danke.« Er beugte sich vor, um ihr ein Küsschen auf die Wange zu geben. Sie hätte gern die Hand gehoben und über seine Wange gestrichen, aber solche Intimitäten waren jetzt sehr schwierig, und sie fürchtete sich vor seiner Reaktion. Im letzten Augenblick versagte ihr der Mut, und sie wischte mit der erhobenen Hand lieber ein unsichtbares Stäubchen von seinem Revers. Als Dank strich er ihr leicht über den Arm.
    »Was gibt’s denn zu essen?«
    »Lammgeschmortes.«
    »Fein.«
    Er ging nach oben, die Cordhose und den Pulli anziehen, die sie ihm aufs Bett gelegt hatte, und gab ihr damit Zeit, das Essen zu servieren. Konzentrier dich, dachte sie, als sie das Fleisch auf die Teller häufte. Lass deine Gedanken nicht mit dir durchgehen. Stopf die Schlimmen in die Kiste.
    Das Problem war, dass der Deckel einer bestimmten Kiste mit aller Gewalt aufzuspringen drohte.
    Stampf, stampf, stampf. Quetsch, quetsch, quetsch. Quetsch den Deckel zu!
    Allen kam in die Küche und legte seine Zeitung für später beiseite.
    »Guten Tag gehabt?«, fragte sie, während sie zum Fleisch die Möhren und das Püree auf die Teller verteilte.
    Das Püree floss in die Bratensoße und verwandelte sich in braunen Matsch.
    »Ja, ich glaube schon.« Er wirkte recht vergnügt. »Es sieht so aus, als ginge die Bushaltestelle tatsächlich in Planung.«
    »Gut gemacht, Schatz«, sagte sie.
    Allen lächelte und ließ sich mit einem zufriedenen Seufzer am Tisch nieder. »Mmm, das sieht aber lecker aus.«
    Debs setzte sich zu ihm und sah zu, wie er sein Besteck nahm; das ihre ließ sie unberührt. Sie wollte ihn kurz beobachten, wie er sich das Essen, das sie für ihn gekocht hatte, schmecken ließ. Einen Moment lang erlaubte sie sich, so zu tun, als wäre es wieder gestern Abend. Als hätten sie fast fertig gegessen, und als freute sie sich schon auf den Abend, den sie gemeinsam auf dem Sofa verbringen würden – sie würden
Coronation Street
gucken und dann die Zehn-Uhr-Nachrichten, Allen würde sich sein Kreuzworträtsel vornehmen, und sie würde ihm bei den Fragen helfen, die er nicht lösen konnte.
    Aber heute Abend wäre alles anders.
    »Und wie war dein Tag?«, fragte er schließlich.
    Sie senkte den Blick auf die

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