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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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mich eben – bist du sicher, du schaffst das alles?«
    O Gott. Zu allem Überfluss wird Rae am Boden zerstört sein, weil es mit Hannah nicht klappt, und Suzy muss auch das noch ausbaden, wenn sie sie abholt. Mir wächst das Ganze über den Kopf. Guy taucht aus dem Studio auf und winkt mich wieder hinein.
    Ich habe Magenschmerzen.
    »Suze, ich weiß. Aber kannst du sie heute bitte trotzdem abholen? Ich ruf dich an, sobald ich hier wegkomme, und erklär dir alles.«
    »In Ordnung, Honey. Und mach dir keine Sorgen«, sagt Suzy und legt auf.
    Ich lege den Hörer hin, sehe Megan an und verdrehe die Augen.
    »Du kriegst das schon hin«, sagt sie. »Meine Schwester hat ewig gebraucht. Aber sie hat es geschafft.«
    Warum redet mir Suzy nicht so zu, denke ich, als ich ins Tonstudio zurückkehre. Jetzt bin ich so beunruhigt, dass ich kaum geradeaus denken kann.
     
    Guy behält mich dann sage und schreibe vierzig Minuten länger da anstatt der ausgemachten zehn, zum Schluss bin ich nahe am Hyperventilieren. Endlich nimmt Parker sein Sakko, und Guy gibt mir mit einem Nicken grünes Licht für den Aufbruch.
    »Guter Start«, sagt er. »Da machen wir morgen weiter.«
    Eine Anstandsminute nach Parker schieße ich aus dem Studio und haste auf meinen High Heels schnellstmöglich in Richtung U-Bahn, das Handy am Ohr – ich versuche pausenlos, Suzy zu Hause zu erreichen. Kein Wunder, dass man in London so viele Frauen im Trainingsanzug und Sportschuhen herumrennen sieht.
    Suzys Telefon klingelt sechsmal, dann springt der Anrufbeantworter an.
    Vielleicht sind sie in den Park gegangen. Ich versuche es auf ihrem Handy. Dort schaltet sich gleich die Mailbox ein.
    Merkwürdig.
    Am Oxford Circus bleibe ich stehen und starre unentschlossen auf den U-Bahn-Eingang; ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn ich einmal im Zug sitze, habe ich eine halbe Stunde lang kein Netz mehr.
    Nervös rufe ich Suzy auf beiden Nummern noch einmal an und entschuldige mich verkrampft, dass ich erst um Viertel vor sieben zurück sein kann.
    Kaum habe ich den Fuß auf die erste Treppenstufe abwärts zur U-Bahn gesetzt, klingelt mein Handy.
    »Hi, Suze!«, übertöne ich den Verkehrslärm und den Zeitungsverkäufer, der unablässig schreit:
Das müssen Sie lesen!
»Hast du meine Nachricht bekommen?«
    Plötzlich kreischt in meiner Nähe jemand los. Eine große, dünne Frau im Schneiderkostüm, mit perfektem Haarschnitt und Make-up, marschiert auf der Oxford Street im Stechschritt auf mich zu, während sie auf Französisch in ein Headset schreit. Der Anblick ist so skurril, dass es mir kurz die Sprache verschlägt und ich ins Starren gerate. Bei jedem Schritt hebt sie wie ein Storch die langen Beine und nimmt gleichzeitig ihren Gesprächspartner so heftig unter Beschuss, dass eine Mutter ihre Kinder schützend an sich zieht. Die wurde garantiert von ihrem Freund abserviert, denke ich. Mein lieber Schwan. Da ist er aber an die Falsche geraten.
    »Cal?«, höre ich Suzy sagen.
    Ich entschuldige mich. »Da läuft eine echt seltsame Frau durch die Gegend …«
    »Cal«, wiederholt sie.
    »Was ist denn?«
    Durch den Hörer dringt ein Geräusch, das ich nicht einordnen kann. Das wie ein scharfes Einatmen klingt. Darauf folgt Stille.
    »Was ist denn«, wiederhole ich. »Suze? Was sagst du? Sprich lauter, ich kann dich nicht hören.«
    Die Französin bleibt vor mir stehen und kreischt weiter. Ich versuche verzweifelt, Suzy zu verstehen, und drehe den Kopf weg.
    »Auf die Straße …«, höre ich sie sagen.
    »Was?«
    Die Schimpftiraden der Französin lassen nicht nach.
    »Jetzt halten Sie doch endlich den Mund!«, herrsche ich sie an, dass sie verstummt und mit einem hochnäsigen Blick enteilt.
    »Der haben Sie’s aber gegeben«, ruft der Zeitungsverkäufer neben mir begeistert.
    »Rae … auf die Straße gestürzt …«
    »Was?«
    »… sich am Bein verletzt …«
    »Was soll das heißen, es geht ihr gut?« Meine Stimme gerät ins Stottern wie ein Motor, dem das Benzin ausgeht.
    »… nur ein bisschen aufgeschürft …«
    »Ihre Atmung, Suze – wie atmet sie?«, rufe ich.
    »Gut. Ich glaube … willst du … in die Notaufnahme bringe?«
    »Ja! Bitte!« Ich schreie schon richtig. »Sie muss durchgecheckt werden. Fahr in die Northmore-Klinik. Sag Bescheid, sie sollen sofort den Kardiologen informieren, sobald sie da ist …«
    Der Hörer bleibt stumm. Ich starre ihn an. Das Gespräch ist unterbrochen.
    Am ganzen Leib zitternd, drehe ich mich um und stolpere

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