Allein gegen die Zeit
sehen.
Legard musterte sie mit einem fiesen Grinsen. „War doch gar nicht so schwer, Carla.“
„Ich hab alles getan, was Sie wollten“, schluchzte Bens Mutter. „Jetzt lassen Sie uns endlich gehen!“
„Aber wieso das denn?“, zischte Legard statt einer Antwort. „Wir wollen doch nicht, dass du das Beste verpasst …“, fügte er mit hasserfüllter Genugtuung hinzu.
Boris schubste Frau Brehmer zu Legard. Dieser deutete auf die Monitore, auf denen nun zu sehen war, wie ein schlanker, älterer Herr mit energischen Schritten die Villa betrat. Er lief direkt in das Wohnzimmer, warf sich ein feines Jackett über die Schulter und blieb für einen kurzen Moment irritiert stehen, als ob er spüren würde, dass irgendetwas nicht stimmte.
Ben fröstelte, als er die Szene beobachtete. Der Mann hatte sich schon längst mit den tödlichen Sporen infiziert. Er wusste es nur noch nicht.
„Wer ist das?“, rief Bens Mutter entsetzt.
„Du erkennst ihn nicht?“, säuselte Legard mit gespielter Empörung. „Jetzt enttäuschst du mich wirklich …“
Legard zoomte mit der Kamera näher an das Gesicht des Mannes heran. Ben sah, dass er freundliche Gesichtszüge und intelligente, wachsame Augen hatte. Sein Haar war lässig verstrubbelt.
„Das ist Frank Brandner …“, hauchte Frau Brehmer erschrocken.
„Ganz genau …“, geiferte Legard. „Und du bist seine Mörderin!“
Bens Mutter rang nach Luft.
Legard nahm eine rote externe Festplatte aus dem Computer und schloss diese an einen Laptop an. Er genoss es sichtlich, dass alle im Wagen jede seiner Bewegungen gebannt verfolgten.
„Und da ich dein böswilliges Attentat am ehrenwerten Herrn Brandner festgehalten habe, wird es mir eine Freude sein, gleich nach den ersten Terrormeldungen, der Welt die Täterin vorzustellen.“
Ben schwirrte der Kopf.
Mit einem dünnen Lächeln drehte Legard den Laptop zu Bens Mutter. Auf dem Monitor flimmerte das Überwachungsvideo von der Villa. Darauf war eindeutig zu erkennen, wie Carla Brehmer die tödliche Orchidee in Brandners Wohnzimmer brachte.
„Im Internet wird sich dieses kleine Video rasend schnell verbreiten“, spuckte Legard triumphierend aus und pochte auf die rote Festplatte. „Damit wirst du zu einer Gejagten Carla, genau wie ich …“
Bens Mutter schüttelte den Kopf. Das blanke Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Sie sind wahnsinnig!“, schrie Bens Vater aufgebracht.
„Nein, Professor, ich bin Stratege“, erwiderte Legard betont gelassen. „Ein Spezialist darin, die Schwächen meiner Feinde gegen sie zu verwenden.“
Die Fahrt im Lieferwagen ging noch weiter. Leo wälzte die verschiedensten Möglichkeiten, wie sie den Anschlag verhindern könnten. Auf einmal bremste der Wagen ab und kam zum Stehen.
Sofort drängten sich die vier Freunde mucksmäuschenstill in die dunkelste Ecke des Heckraumes. Sophie zuckte zusammen, als die Fahrertür zugeknallt wurde. Sie hielt sich panisch den Mund zu, um nicht loszuschreien. Leo traute sich kaum zu atmen. Wenn die Gangster jetzt den Heckraum öffnen würden, wäre alles vorbei. Doch die Schritte der Männer entfernten sich vom Wagen.
Leo fasste sich als Erste ein Herz und robbte leise nach hinten, Richtung Tür. Vorsichtig öffnete sie die Heckklappe und linste nach draußen. Schwarze Limousinen standen neben und vor dem Wagen. Sie befanden sich in einer Tiefgarage.
Nachdem sie so leise wie möglich ausgestiegen war, schlich sie geduckt um den Lieferwagen herum. Sie konnte gerade noch sehen, wie die beiden Fahrer auf einen Seitenausgang zuliefen, der von einem glatzköpfigen Wachmann in einem schwarzen Anzug bewacht wurde. Der Wachmann nickte den Gangstern zu und ließ sie in das Gebäude verschwinden.
„Scheiße, der gehört zu denen!“, fluchte Jonas, der die Szene auch beobachtet hatte. Leo nickte resigniert. Sie sah die Schilder an den Wänden der Tiefgarage. Sie befanden sich offenbar im Keller des Innenministeriums. In wenigen Minuten würden die Terroristen ihren grauenhaften Anschlag verüben, und Leo, Jonas, Sophie und Özzi waren völlig auf sich allein gestellt.
Inzwischen war der Übertragungswagen mit Ben und seinen Eltern wieder unterwegs. Legard und Boris verfolgten auf den Monitoren die Fernsehübertragung zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Brandner.
Ben beobachtete, wie sich Legard nervös den Nacken kratzte und dabei ganze Fetzen seiner kaputten Haut abpulte. Ihn ekelte vor diesem Mann.
Plötzlich ballte
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